strukturbestimmung des undecabromids [br 11 ] −

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Polyhalogenanionen DOI: 10.1002/ange.201209928 Strukturbestimmung des Undecabromids [Br 11 ] À ** Heike Haller, Jan Schrçder und Sebastian Riedel* Professor Werner Uhl zum 60. Geburtstag gewidmet Unter den Polyhalogeniden sind die Iodverbindungen lange bekannt und umfangreich erforscht. Schon 1870 entdeckte Jørgensen, [1] dass beim Mischen von Kaliumiodid und Iod in einer weinhaltigen Lçsung Triiodid gebildet wird. Bis heute ist eine Vielzahl von verschiedenen Mono-, Di-,Tri- und Te- traanionen bekannt. [2] Bei den Polyiodid-Monoanionen wurden unseres Wissens bisher nur Verbindungen bis [X 9 ] À strukturell charakterisiert. Mithilfe von Massenspektrometrie gelang Groessl et al. 2011 die erste Bestimmung von hçheren Polyiodiden: [I 11 ] À , [I 13 ] À und [I 15 ] À . [3] Sie mischten [PMIM]I (PMIM = 1-Propyl-3-methylimidazolium) mit einer stçchio- metrischen Menge an Iod, verdɒnnten es in Acetonitril und untersuchten diese Mischung mit ESI-MS. Um die beobach- teten Fragmentierungswege genauer zu bestimmen, wurden mçgliche Strukturen von [I 2n+1 ] À (n = 1–7) auf DFT-Niveau berechnet. Die beobachteten Verbindungen in diesem Gas- phasenexperiment zeigen bis heute das hçchste Element/ Ladung-VerhȨltnis aller bisher untersuchten Polyhalogenide auf. Fɒr das nȨchstleichtere und reaktivere homologe Halogen Brom sind deutlich weniger Beispiele bekannt. Lineares [Br 4 ] 2À , [4] Z-fçrmiges [Br 8 ] 2À , [5] ringfçrmiges [Br 10 ] 2À [6] und das erst kɒrzlich beschriebene [Br 20 ] 2À [7, 8] sind Beispiele von be- kannten Polybromid-Dianionen. [9] Im Bereich der Polybro- mid-Monoanionen ist nur das [Br 3 ] À schon seit langem be- kannt. Chattaway [10] diskutierte schon 1923 die Existenz hç- herer Polybromid-Monoanionen, aber bis 2010 gab es weder einen schwingungsspektroskopischen noch einen strukturel- len Beweis fɒr Monoanionen wie [Br 5 ] À , [Br 7 ] À und [Br 9 ] À . [11] 2011 erbrachte unsere Gruppe den ersten strukturellen Beweis fɒr ein hçheres Polybromid-Monoanion in [NPr 4 ]- [Br 9 ]. [12] Kurze Zeit spȨter charakterisierte die Gruppe um Feldmann das [P(Ph) 3 Br][Br 7 ], welches in ionischen Flɒssig- keiten hergestellt wurde. [8] Erst kɒrzlich berichteten Himmel et al. ɒber die StrukturaufklȨrung von [Br 5 ] À . [13] Somit wurde in den letzten drei Jahren die gesamte Reihe der Polybromid- Monoanionen von [Br 3 ] À bis [Br 9 ] À strukturell charakterisiert. Ƞber die Charakterisierung der Polybromidanionen hinaus wurden in den letzten Jahren ebenfalls neue Poly- chloride und -fluoride mithilfe von Schwingungsspektrosko- pie untersucht. Unter den Polychlorid-Monoanionen sind [Cl 3 ] À , [14] [Cl 3 ···Cl 2 ] À , [15] [Cl 5 ] À [16] und [Cl 9 ] À bekannt, [16] wobei das das zuletzt genannte Ion nur bei tiefen Temperaturen stabilisiert werden konnte. Das gilt auch fɒr das einzige bekannte Poly- fluoridanion, [F 3 ] À , das mithilfe von Matrixisolationsspek- troskopie in Argon- und Neonmatrizen bei 4 K charakteri- siert werden konnte. [17] Hier berichten wir ɒber die Synthese und Charakterisie- rung eines neuen Polyhalogen-Monoanions, des Undecabro- mids [Br 11 ] À , welches die Reihe der Polyhalogen-Monoanio- nen um einen weiteren Vertreter ergȨnzt. Dieses erst kɒrzlich durch quantenchemische Rechnungen auf dem SCS-MP2/ def2-TZVPP Niveau vorhergesagte Anion weist eine ther- mochemische StabilitȨt gegenɒber der Eliminierung von fɒnf Br 2 -Molekɒlen von 297.0 kJ mol À1 auf. [12] Die Reaktion von Bis(triphenylphosphan)iminiumbromid (PPNBr) mit einem Ƞberschuss an Brom fɒhrte zu dem hier vorgestellten Pro- dukt, [PPN][Br 11 ·Br 2 ]. Diese Verbindung weist das hçchste bisher bekannte Element/Ladung-VerhȨltnis einer strukturell charakterisierten Polyhalogenidverbindung auf. Eine Rçntgen-Einkristallstrukturanalyse zeigt, dass das Salz [PPN][Br 11 ·Br 2 ] in der triklinen Raumgruppe P 1 kris- tallisiert. Ɛhnlich zu anderen Polyhalogeniden ist [Br 11 ·Br 2 ] À aufgebaut aus den beiden Bausteinen Br À und Br 2 . Ein zen- trales Br À koordiniert fɒnf Br 2 -Molekɒle, dabei wird die Ladung des zentralen Br À in die antibindenden LUMOs der „end-on“-koordinierten Br 2 Molekɒle doniert, wodurch die Br-Br-Bindungen geschwȨcht und im Vergleich zu moleku- larem Br 2 [18] um durchschnittlich 5.9 pm verlȨngert werden (Abbildung 1). Die [Br 11 ] À -Einheiten sind zu Ketten verknɒpft, in die ein sechstes Brommolekɒl eingelagert ist. Die zur Kette ver- knɒpfenden Br-Br-Kontakte sind deutlich lȨnger als die Kontakte in den [Br 11 ] À -Einheiten. Gleichwohl sind die Ab- stȨnde kleiner als der doppelte Van-der-Waals-Radius von 370 pm. Die Kontakte zwischen den [Br 11 ] À -Einheiten und dem eingelagerten Brommolekɒl sind ebenfalls kɒrzer als 370 pm, wobei das eingelagerte Br 2 -Molekɒl jedoch nicht an ein Br À -Anion gebunden und der Br-Br-Abstand mit 0.31 pm praktisch kaum verlȨngert ist (Tabelle 1 und Abbildung 2). Dieses Br 2 -Molekɒl wird deshalb formal nicht dem Polyha- logenid-Monoanion zugerechnet. Entsprechend der von Addison et al. [19] beschriebenen Methode zur Bestimmung des Koordinationspolyeders (tri- gonale Bipyramide oder quadratische Pyramide) konnte die hier vorliegende Struktur als fast quadratisch pyramidal ein- [*] Dipl.-Chem. H. Haller, B.Sc. J. Schrçder, Dr. S. Riedel Institut fɒr Anorganische und Analytische Chemie Albert-Ludwigs-UniversitȨt Freiburg Albertstraße 21, Freiburg (Deutschland) E-Mail: [email protected] Homepage: http://www.psichem.de [**] Diese Arbeit wurde unterstɒtzt vom Fonds der Chemischen Indu- strie (FCI). Wir danken Prof. Ingo Krossing und Prof. Harald Hil- lebrecht fɒr ihre großzɒgige und andauernde Unterstɒtzung. Hintergrundinformationen zu diesem Beitrag sind im WWW unter http://dx.doi.org/10.1002/ange.201209928 zu finden. A ngewandte Chemi e 1 Angew. Chem. 2013, 125,1–5 # 2013 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim These are not the final page numbers! Ü Ü

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Page 1: Strukturbestimmung des Undecabromids [Br               11               ]               −

PolyhalogenanionenDOI: 10.1002/ange.201209928

Strukturbestimmung des Undecabromids [Br11]�**

Heike Haller, Jan Schrçder und Sebastian Riedel*

Professor Werner Uhl zum 60. Geburtstag gewidmet

Unter den Polyhalogeniden sind die Iodverbindungen langebekannt und umfangreich erforscht. Schon 1870 entdeckteJørgensen,[1] dass beim Mischen von Kaliumiodid und Iod ineiner weinhaltigen Lçsung Triiodid gebildet wird. Bis heuteist eine Vielzahl von verschiedenen Mono-, Di-, Tri- und Te-traanionen bekannt.[2] Bei den Polyiodid-Monoanionenwurden unseres Wissens bisher nur Verbindungen bis [X9]

strukturell charakterisiert. Mithilfe von Massenspektrometriegelang Groessl et al. 2011 die erste Bestimmung von hçherenPolyiodiden: [I11]

� , [I13]� und [I15]

� .[3] Sie mischten [PMIM]I(PMIM = 1-Propyl-3-methylimidazolium) mit einer stçchio-metrischen Menge an Iod, verd�nnten es in Acetonitril unduntersuchten diese Mischung mit ESI-MS. Um die beobach-teten Fragmentierungswege genauer zu bestimmen, wurdenmçgliche Strukturen von [I2n+1]

� (n = 1–7) auf DFT-Niveauberechnet. Die beobachteten Verbindungen in diesem Gas-phasenexperiment zeigen bis heute das hçchste Element/Ladung-Verh�ltnis aller bisher untersuchten Polyhalogenideauf.

F�r das n�chstleichtere und reaktivere homologe HalogenBrom sind deutlich weniger Beispiele bekannt. Lineares[Br4]

2�,[4] Z-fçrmiges [Br8]2�,[5] ringfçrmiges [Br10]

2� [6] und daserst k�rzlich beschriebene [Br20]

2� [7, 8] sind Beispiele von be-kannten Polybromid-Dianionen.[9] Im Bereich der Polybro-mid-Monoanionen ist nur das [Br3]

� schon seit langem be-kannt. Chattaway[10] diskutierte schon 1923 die Existenz hç-herer Polybromid-Monoanionen, aber bis 2010 gab es wedereinen schwingungsspektroskopischen noch einen strukturel-len Beweis f�r Monoanionen wie [Br5]

� , [Br7]� und [Br9]

� .[11]

2011 erbrachte unsere Gruppe den ersten strukturellenBeweis f�r ein hçheres Polybromid-Monoanion in [NPr4]-[Br9].[12] Kurze Zeit sp�ter charakterisierte die Gruppe umFeldmann das [P(Ph)3Br][Br7], welches in ionischen Fl�ssig-keiten hergestellt wurde.[8] Erst k�rzlich berichteten Himmelet al. �ber die Strukturaufkl�rung von [Br5]

� .[13] Somit wurdein den letzten drei Jahren die gesamte Reihe der Polybromid-Monoanionen von [Br3]

� bis [Br9]� strukturell charakterisiert.

�ber die Charakterisierung der Polybromidanionenhinaus wurden in den letzten Jahren ebenfalls neue Poly-chloride und -fluoride mithilfe von Schwingungsspektrosko-pie untersucht.

Unter den Polychlorid-Monoanionen sind [Cl3]� ,[14]

[Cl3···Cl2]� ,[15] [Cl5]

� [16] und [Cl9]� bekannt,[16] wobei das das

zuletzt genannte Ion nur bei tiefen Temperaturen stabilisiertwerden konnte. Das gilt auch f�r das einzige bekannte Poly-fluoridanion, [F3]

� , das mithilfe von Matrixisolationsspek-troskopie in Argon- und Neonmatrizen bei 4 K charakteri-siert werden konnte.[17]

Hier berichten wir �ber die Synthese und Charakterisie-rung eines neuen Polyhalogen-Monoanions, des Undecabro-mids [Br11]

� , welches die Reihe der Polyhalogen-Monoanio-nen um einen weiteren Vertreter erg�nzt. Dieses erst k�rzlichdurch quantenchemische Rechnungen auf dem SCS-MP2/def2-TZVPP Niveau vorhergesagte Anion weist eine ther-mochemische Stabilit�t gegen�ber der Eliminierung von f�nfBr2-Molek�len von 297.0 kJ mol�1 auf.[12] Die Reaktion vonBis(triphenylphosphan)iminiumbromid (PPNBr) mit einem�berschuss an Brom f�hrte zu dem hier vorgestellten Pro-dukt, [PPN][Br11·Br2]. Diese Verbindung weist das hçchstebisher bekannte Element/Ladung-Verh�ltnis einer strukturellcharakterisierten Polyhalogenidverbindung auf.

Eine Rçntgen-Einkristallstrukturanalyse zeigt, dass dasSalz [PPN][Br11·Br2] in der triklinen Raumgruppe P�1 kris-tallisiert. �hnlich zu anderen Polyhalogeniden ist [Br11·Br2]

aufgebaut aus den beiden Bausteinen Br� und Br2. Ein zen-trales Br� koordiniert f�nf Br2-Molek�le, dabei wird dieLadung des zentralen Br� in die antibindenden LUMOs der„end-on“-koordinierten Br2 Molek�le doniert, wodurch dieBr-Br-Bindungen geschw�cht und im Vergleich zu moleku-larem Br2

[18] um durchschnittlich 5.9 pm verl�ngert werden(Abbildung 1).

Die [Br11]�-Einheiten sind zu Ketten verkn�pft, in die ein

sechstes Brommolek�l eingelagert ist. Die zur Kette ver-kn�pfenden Br-Br-Kontakte sind deutlich l�nger als dieKontakte in den [Br11]

�-Einheiten. Gleichwohl sind die Ab-st�nde kleiner als der doppelte Van-der-Waals-Radius von370 pm. Die Kontakte zwischen den [Br11]

�-Einheiten unddem eingelagerten Brommolek�l sind ebenfalls k�rzer als370 pm, wobei das eingelagerte Br2-Molek�l jedoch nicht anein Br�-Anion gebunden und der Br-Br-Abstand mit 0.31 pmpraktisch kaum verl�ngert ist (Tabelle 1 und Abbildung 2).Dieses Br2-Molek�l wird deshalb formal nicht dem Polyha-logenid-Monoanion zugerechnet.

Entsprechend der von Addison et al.[19] beschriebenenMethode zur Bestimmung des Koordinationspolyeders (tri-gonale Bipyramide oder quadratische Pyramide) konnte diehier vorliegende Struktur als fast quadratisch pyramidal ein-

[*] Dipl.-Chem. H. Haller, B. Sc. J. Schrçder, Dr. S. RiedelInstitut f�r Anorganische und Analytische ChemieAlbert-Ludwigs-Universit�t FreiburgAlbertstraße 21, Freiburg (Deutschland)E-Mail : [email protected]: http://www.psichem.de

[**] Diese Arbeit wurde unterst�tzt vom Fonds der Chemischen Indu-strie (FCI). Wir danken Prof. Ingo Krossing und Prof. Harald Hil-lebrecht f�r ihre großz�gige und andauernde Unterst�tzung.

Hintergrundinformationen zu diesem Beitrag sind im WWW unterhttp://dx.doi.org/10.1002/ange.201209928 zu finden.

AngewandteChemie

1Angew. Chem. 2013, 125, 1 – 5 � 2013 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

These are not the final page numbers! � �

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gestuft werden (Abbildung 1). F�r den geometrischen Para-meter t = (b�a)/60 8 (b und a sind dabei die grçßten Winkelin der Koordinationssph�re) wird in der vorliegenden Kris-tallstruktur ein Wert von 0.18 bestimmt, der eher einer qua-dratisch pyramidalen Anordnung (C4v : t = 0; vgl. trigonal

pyramidale Umgebung (D3h): t = 1). Weitere Strukturpara-meter (z. B. Bindungswinkel) sind in den Hintergrundinfor-mationen hinterlegt.

Auf der Grundlage fr�herer Rechnungen f�r Polyiodidein der Gasphase vergleichen wir die beobachtete Kristall-

struktur von [Br11]� mit der be-

rechneten von [I11]� . Rechnungen

auf B3LYP-Niveau zeigen dabei,dass das Undecaiodid Cs-symme-trisch aufgebaut ist (Abbildung 3,A). Dies bildet einen Widerspruchzu der von uns erhaltenen Kristall-struktur, die eine fast quadratischpyramidale Koordination der Br2-Molek�le um das zentrale Br� auf-weist und wird ebenfalls durchquantenchemische Rechnungenvon Pichierri unterst�tzt.[20] Opti-miert man die wahrscheinlichstenStrukturen in Cs-, D3h- oder C4v-Symmetrie mithilfe von DFT-Funktionalen wie B3LYP, so beob-achtet man, dass die schon gefun-dene Struktur von [I11]

� in Cs-Sym-metrie sowohl f�r die Iod- als auchf�r die Brom-Undecahalogenidedas Minimum mit der niedrigsten

Energie darstellt (Abbildung 3).Bei der Verwendung einer Ab-initio-Methode wie SCS-

MP2, die sich in fr�heren Untersuchungen solcher Polyhalo-genide, unter anderem auch von [Br11]

� , als geeignet erwiesenhat, beobachteten wir hingegen, dass die D3h- und C4v-sym-metrischen Strukturen energetisch bevorzugt werden (siehedie Hintergrundinformationen zu Lit. [12]). Diese Diskre-panz ist wahrscheinlich auf zwei Gr�nde zur�ckzuf�hren, ei-nerseits auf die bei DFT-Rechnungen fehlende Ber�cksich-tigung der Dispersionswechselwirkung sowie dem Beitrag desdirekten Hartree-Fock(HF)-Austausches bei DFT-Rechnun-gen (Abbildung 4). Dar�ber hinaus ist in Abbildung 4 zu er-kennen, dass eine energetische Unterscheidung zwischen dertrigonal bipyramidalen und der quadratisch pyramidalenStruktur nur sehr schwer mçglich ist, was in �bereinstim-mung mit anderen f�nffach koordinierten Komplexen ist.Dieser intermolekulare Austausch zwischen den beiden Iso-meren durch eine Berry-Pseudorotation ist im Festkçrperjedoch nicht mçglich. Da Kristallpackungseffekte das vorlie-gende [Br11]

�-Anion in eine fast quadratisch pyramidaleStruktur zwingen. Dies ist in �bereinstimmung mit einer

Abbildung 1. Molek�lstruktur von [PPN][Br11·Br2] im Festkçrper. F�nfBrommolek�le sind an ein zentrales Br� koordiniert und bilden so dasPolybromid-Monoanion [Br11]

� .

Tabelle 1: Gemessene und berechnete Atomabst�nde [pm] in [Br11·Br2]� .[a]

Abstand Exp. SCS-MP2[b] BP86 PBE0[b] BHLYP[b]

Br1-Br2 294.55(3) 296.2/301.4 292.0 293.1/295.0 303.6/304.7Br2-Br3 233.31(3) 234.0/238.6 241.7 234.5/236.4 233.6/235.7Br1-Br4 308.09(3) 299.1/305.1 298.2 298.2/299.8 307.4/309.0Br4-Br5 232.02(3) 233.3/237.7 239.8 233.2/235.1 232.8/234.8Br1-Br6 290.71(3)Br6-Br7 233.52(3)Br1-Br8 303.97(3)Br8-Br9 232.76(3)Br1-Br10 295.27(3)Br10-Br11 233.02(3)Br11-Br12 328.84(3)Br12-Br13 227.31(5)[c]

Br3-Br12 366.86(4)Br5-Br7 334.88(3)

[a] Siehe Abbildung 2 f�r die Atomnummerierung. [b] Quadratisch pyramidale Strukturen berechnet aufDFT-D3 und Ab-initio-Niveau unter Verwendung von def2-TZVPP- und def-SV(P)-Basiss�tzen. [c] Br13ist fehlgeordnet, nur die Werte der Hauptorientierung werden diskutiert.

Abbildung 2. Ketten�hnliche Struktur von [PPN][Br11·Br2] im Festkçr-per: Die [Br11]

�-Einheiten sind durch eingelagerte Br2-Molek�le ver-kn�pft. Thermische Elllipsoide sind bei 50% abgeschnitten, Kationensind nicht gezeigt.

Abbildung 3. Auf SCS-MP2/def2-SV(P)-Niveau berechnete [Br11]�-Struk-

turen. A : Cs-Symmetrie, B : D3h-Symmetrie und C : C4v-Symmetrie.

.AngewandteZuschriften

2 www.angewandte.de � 2013 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Angew. Chem. 2013, 125, 1 – 5� �

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systematischen Untersuchung des Einflusses der Kationen-grçße auf die Kristallstruktur des Polybromidanions, welcheerst k�rzlich von uns publiziert wurde.[11]

Wie wir schon in fr�heren Publikationen gezeigt haben, istdie Raman-Spektroskopie die Methode der Wahl zur Unter-suchung solcher Polyhalogenide.[12,16, 22] Unser experimentel-les Raman-Spektrum zeigt vier Banden bei Wellenzahlengrçßer 200 cm�1, von denen drei gut mit den Ergebnissenunserer quantenchemischen Rechnungen auf SCS-MP2Niveau �bereinstimmen (siehe Tabelle 2 und Abbildung 6).Die f�nfte Bande n1 findet man in unserem berechneten

Spektrum nicht vor, da diese der entsprechenden Streck-schwingung des eingelagerten Brommolek�ls (Br12-Br13)zugeordnet werden kann, das in unserer quantenchemischenBeschreibung nicht ber�cksichtigt wurde. Die Bande bei297 cm�1 ist in guter �bereinstimmung mit der experimentellbeobachteten Bande f�r festes Brom (308 cm�1; Tabelle 2).Die beobachteten Banden n2–4 im Bereich 286–264 cm�1 ent-sprechen den Schwingungsmoden der koordinierten Br2-Einheiten. Die Schwingungen n3 und n4 liegen sehr nah bei-einander, sodass man im experimentellen Spektrum n4 nur alseine Schulter von n3 erkennen kann. Die Deformations-schwingung von Br�···Br2 ist im Spektrum als n5 vorzufinden(Abbildung 5). Diese Moden, von denen n5 die bei weitemst�rkste ist, sind laut Rechnungen fast 170 cm�1 unterhalb der

Br2-Streckschwingungen zu finden. n5 ist im experimentellenSpektrum �berlagert von Longitudinal- und Transversal-schwingungen, die in Festkçrpern gewçhnlich unterhalb von150 cm�1 vorzufinden sind. Das berechnete Raman-Spektrumzeigt somit eine gute �bereinstimmung im Bereich 300–200 cm�1 mit dem experimentellen Spektrum und st�tzt somitunsere experimentellen Beobachtungen (Abbildung 6).

Zusammenfassend haben wir hier �ber den ersten struk-turellen Beweis eines Undecabromids [Br11]

� , das durch dasBis(triphenylphosphan)iminium-Kation stabilisiert wird, be-richtet. Das Anion zeigt in der Kristallstruktur eine nahezuquadratisch pyramidale Struktur auf. Dieses Ergebnis wirddurch quantenchemische Rechnungen auf SCS-MP2-Niveaugest�tzt. Es zeigte sich, dass die trigonal pyramidale und diequadratisch pyramidale Struktur energetisch sehr nahe bei-einander liegen, was auf eine sehr flache Energiehyperfl�cheschließen l�sst. Des Weiteren haben wir gezeigt, dass dieBeschreibung von Polyhalogeniden mithilfe von Dichte-funktionaltheorie problematisch sein kann. Dies liegt wahr-scheinlich an der fehlenden Ber�cksichtigung von Dispersi-

Abbildung 4. Energiediagramm der mit DFT und auf dem Ab-initio-Niveau berechneten Minimumstrukturen von [Br11]

� in Cs-, C4v- undD3h-Symmetrie.

Tabelle 2: Gemessene und berechnete Raman-Frequenzen [cm�1] f�r[Br11·Br2] und molekulares Br2.

Schwingung Exp. SCS-MP2/def2-TZVPP

SCS-MP2/def-SV(P)

Struktur C Struktur B

n (Br2 g) 325[21] 334 310n (Br2 f) 308n1 (Br2) 297n2 286 295 277n3 269 278 259n4 264 271 255n5 95 108

Abbildung 5. Die intensivsten Raman-Schwingungen des [Br11]�-Anions

in D3h- und C4v-Symmetrie.

Abbildung 6. Experimentelle und mit SCS-MP2 berechnete Raman-Spektren von [PPN][Br11·Br2] bzw. [Br11]

� .

AngewandteChemie

3Angew. Chem. 2013, 125, 1 – 5 � 2013 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.angewandte.de

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onswechselwirkungen und einem mangelndem direktem HF-Austausch in manchen DFT-Funktionalen.

Dieses neue Anion hat das hçchste bisher bekannte Ele-ment/Ladung-Verh�ltnis unter den bekannten Polyhaloge-nidverbindungen und ist deshalb ein ideales Referenzmolek�lzur Untersuchung von schwachen Wechselwirkungen.

Experimentelles[PPN]Br wurde synthetisiert wie in fr�heren Publikationen be-schrieben.[23, 24] Die Synthese von [PPN]+[Br11·Br2]

� wurde in ele-mentarem Brom durchgef�hrt. Zu [PPN]Br wurde im Verh�ltnis 1:6Brom (Merck) zugegeben oder aufkondensiert, dabei bildete sicheine rotbraune fl�ssige Reaktionsmischung. Nach einigen Tagen beiRaumtemperatur wurden rotbraune Kristalle erhalten, die beiRaumtemperatur nur im Reaktionsgemisch stabil sind.

Die FT-Raman-Spektren wurden mit einem Bruker-Vertex-70-Spektrometer, ausgestattet mit einem RAM-II-Modul und einemFl�ssigstickstoff-gek�hlten Ge-Detektor (R�ckstreuungsmodus), inabgeschmolzenen Glaskapillaren bei Raumtemperatur aufgenom-men (1064 nm, 10 mW Leistung, Auflçsung 4 cm�1).

Kristalldaten f�r [PPN]+[Br11·Br2]� : C36H30Br13N1P2, Mw =

1577.38, triklin, Raumgruppe P�1, a = 12.5230(2), b = 12.6557(2); c =16.1176(3) �, a = 104.5740(10), b = 106.0260(10), g = 96.4340(10)8,V= 2330.48(7) �3, Z = 2, 1ber. = 2.248 Mgm�3, F(000) = 1476, l =0.71073 �, T= 100(2) K, Absorptionskoeffizient = 11.266 mm�1, Ab-sorptionskorrektur: multi-scan, Tmin = 0.5003, Tmax = 0.7469. DieStrukturdaten wurden auf einem Bruker SMART APEX2 CCDFl�chendetektor-Diffraktometer mit MoKa-Strahlung aufgenommen.Ein Einkristall wurde direkt aus dem Reaktionsgemisch entnommen,bei 0 8C mit Perfluoretherçl bedeckt und auf einem 0.1 mm Micro-mount aufgesetzt. Die Struktur wurde mit direkten Methoden inSHELXTL[25] und OLEX2[26] gelçst und nach kleinsten Quadratenverfeinert mit gewichteten F 2-Werten aller Reflexe. Die endg�ltigenVerfeinerungen konvergierten bei GooF = 1.024, R1 = 0.0312 undwR2 = 0.0621 f�r Reflexe (I> 2s(I)), R1 = 0.0506 und wR2 = 0.0667f�r alle Reflexe. Die Wasserstoffatome wurden w�hrend der Verfei-nerung in berechnete Positionen eingef�gt. Die Grafiken wurdenmithilfe von Diamond erstellt.[27] CCDC-906333 ([PPN]+[Br11·Br2]

�)enth�lt die ausf�hrlichen kristallographischen Daten zu dieser Ver-çffentlichung. Die Daten sind kostenlos beim Cambridge Crystallo-graphic Data Centre �ber www.ccdc.cam.ac.uk/data_request/cif er-h�ltlich.

Die quantenchemischen Rechnungen wurden auf verschiedenenNiveaus der Dichtefunktionaltheorie (DFT) und auf Ab-initio-Niveau (HF, SCS-MP2) durchgef�hrt. Das gradientenkorrigierteBP86[28–32]-Funktional, die Hybridfunktionale B3LYP,[28–31, 33, 34]

PBE0[28, 29, 35–37] und BHLYP[28, 29, 31, 33, 38] mit 25 % bzw. 50% HF-Aus-tauschzumischung wurden verwendet. F�r Brom und Iod wurden diefolgenden Basiss�tze verwendet: def-SV(P) bzw. def2-TZVPP. AlleRechnungen wurden mit dem Programm Turbomole V6.3[39] und dendarin implementierten analytischen Gradientenmethoden durchge-f�hrt. Die Strukturen wurden vollst�ndig auf DFT-, HF- und SCS-MP2[40]-Niveau optimiert. Die in Turbomole implementierteGrimme-Dispersionskorrektur D3 wurde verwendet.[41] Minima aufder Potentialenergiefl�che wurden mithilfe von harmonischenSchwingungsanalysen berechnet. Wir zeigen relative Energiewerteohne Nullpunktschwingungskorrektur, da diese die Thermochemienicht signifikant ver�ndert.

Eingegangen am 12. Dezember 2012,ver�nderte Fassung am 28. Januar 2013Online verçffentlicht am &&. && &&&&

.Stichwçrter: Brom · Halogene · Polyhalogenanionen ·Quantenchemische Rechnungen · Raman-Spektroskopie

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.AngewandteZuschriften

4 www.angewandte.de � 2013 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Angew. Chem. 2013, 125, 1 – 5� �

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Zuschriften

Polyhalogenanionen

H. Haller, J. Schrçder,S. Riedel* &&&&—&&&&

Strukturbestimmung desUndecabromids [Br11]

Verteilte Ladung : Außer f�r Iod wurdenbisher nur wenige der bekannten Polyha-logenanionen strukturell charakterisiert.Es ist deshalb bemerkenswert, dass dasbisher hçchste Element/Ladung-Verh�lt-nis nun in dem neuen Undecabromid[Br11]

� gefunden wurde. Dieses neue Po-lybromid-Monoanion wurde in reinemHalogen hergestellt und mithilfe vonEinkristallstrukturanalyse, Raman-Spek-troskopie (siehe Bild) und quantenche-mischen Methoden charakterisiert.

AngewandteChemie

5Angew. Chem. 2013, 125, 1 – 5 � 2013 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.angewandte.de

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