deutsche lieder um 1400

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  • Deutsche Lieder um 1400Author(s): Ewald JammersSource: Acta Musicologica, Vol. 28, Fasc. 1 (Jan. - Mar., 1956), pp. 28-54Published by: International Musicological SocietyStable URL: http://www.jstor.org/stable/932019 .Accessed: 15/06/2014 13:03

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  • 28 Deutsche Lieder um 1400

    Deutsche Lieder um 1400 Ewald Jammers (Heidelberg)

    Die Frage der textlosen Melodieaufzeichnung wurde 1910 von Joh. Wolf in seinem

    Beitrag Deutsche Lieder des 15. Jahrhunderts zur Festschrift zum 90. Geburtstage Rochus von Liliencrons 1, durch die Ver6ffentlichung einer Reihe von Liedern beant- wortet. Im Zwange seiner Publikation der Neidhartlieder muBte sich dann W. Schmie- der mit ihr befassen. Im Vordergrund steht diese Frage auch bei den lIbertragungen der Weisen der Handschrift Berlin, Germ. fol. 922: Marg. Lang: Zwischen Minnesang und Volkslied. Die Weisen bearbeitete Miiller-Blattau2. Von anderen gelegentlichen Ubertragungen darf ich wohl absehen. Es ist klar, daB diese schwierige Frage immer wieder zu L6sungsversuchen driingt. Jiingst hat nun Fr. Gennrich in seiner Abhandlung iiber die Mittelalterlichen Lieder mit textioser Melodie3 das Problem grundsaitzlich in Angriff genommen. Mir scheint, daB die Frage der textlosen Melodieaufzeichnung aus methodischen Grtinden, aber iiberhaupt dab die Melodien dieser Zeit zwischen ,Minnesang und Volkslied', wie sie die oben angefiihrte Studie nennt, der Stilistik halber noch weitere Untersuchungen verdienen, selbst wenn ihr Ergebnis nur die eine oder die andere These oder fIbertragung bestiitigen wiirde. Dabei m6chte ich die Probleme der Neidharte auBer acht lassen, um besser zu einem Ergebnis zu kommen, und zunaichst nur jene Weisen aus der Wende des 14. zum 15. Jahrhundert betrachten, die in den Hss. Ansbach 161, Darmstadt 2225 und Berlin 922 sich befinden.

    Das Lied: Vernempt ir armen iiberal der Ansbacher Handschrift ist wohl geeignet, als Einfiihrung in das Problem zu dienen. Die Hs. ist4 um 1.406 geschrieben. Als Noten dienen Haken der Metzer Choralschrift, die durch Striche abgetrennt sind. Ich bringe

    zunichst die Melodie, wie die Handschrift sie aufzeichnet.

    lM

    o m- d

    m M w -,

    H~ - -I.- --~

    * p gm.

    Was bedeuten die Striche? Wie verhiilt sich der Text zur aufgezeichneten Melodie? Entspricht die Melodie dem Idealschema des Liedes oder etwa der 1. Strophe? Die Melodie zerfillt durch die Striche in 14 Teilstiicke mit 6, 8, 7, 8, 8, 8, 8, - 7, 8, 8, 8, 8, 8, 9 T6nen, sie zerfallen (was auch graphisch angedeutet wird) in 2 Gruppen zu je 7 Stiicken. Das Schema der Textstrophe lautet 4a, 2a + 2a = 4a, 4b, 4a, 4a, 4a, 4b: II; Der Refrain wiederholt die 7 Verse. Es ergibt sich klar, daB diese 14 + 7 Verse mit den 14 Teilstiicken identisch sind. Da der Text 21 Verse enthialt, muB natiirlich eine

    1 Leipzig 1910, S. 404 ff. 2 Berlin 1941. 3 AfMw. 9/1952, S. 120 ff. 4 Vgl. die Beschreibung bei J. Wolf a. a. O.

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  • Deutsche Lieder um 1400 29

    Gruppe der Melodie wiederholt werden. Ob es, wie Wolf meint, die 1. Gruppe ist, so daB der Refrain eine eigene Melodie hat, oder ob die Strophe die gesamte Melodie bringt, und der Refrain die 2. Hailfte wiederholt, sei hier nicht gepriift; dafiir sei klar- gestellt, daB die Striche also den Vers abgrenzen. DaB das Schema gemeint ist, ist gleichfalls klar: dafiir dominiert die Normalziffer 8 zu sehr. Die SchluBziffer 9 mit Verdreifachung des letzten Tones meint eine Schlul3fermate. Der 1. Vers freilich ent-

    hilt nur 6 T6ne (doch nicht des Textverses wegen, der 8 Silben bringt). 1 Ton fehlt in der Mitte, wie der Vergleich mit dem Teilstiick 4 ergibt. Die Uibrigen fehlenden T6ne sind Auftaktt6ne. Wie verhiilt sich aber das Melodiestiick zum zugeh6rigen Vers? Es fillt auf, daB die Verse fast ausnahmslos mit Doppelt6nen schlieBen. Aus dem Vergleich mit anderen Hss., die die Melodie mit unterlegtem Texte bringen, wissen wir, daB diese Doppelnote als Liinge zu verstehen ist5. Dann werden freilich die Melodiestiicke 7t6nig; es fehlen die Auftakte. Wolf ersetzt sie in anderen Beispie- len aus den Schlult6nen der vorangegangenen Zeilen. Sie sind also sozusagen durch diese gegeben. Auch Gennrich hailt es in der Regel ffir erforderlich, daB der Auftakt an den vorangehenden Schlul3ton ankniipft. Textierte Melodien verhalten sich ent- sprechend; so scheint diese Regel anerkannt zu sein. Der 1. Vers hat freilich keinen vorangehenden SchluBton. Er ist aber in unserem Lied durch die Parallele des 4. Ver- ses sichergestellt: Es ist der Grundton. Es ergibt sich also, dal er die Lieder (als Auf- takt) einleitet, falls nichts Besonderes vermerkt wird. Vers 2: c c f g f a g f und seine Parallele Vers 5: c f gf a g f f sind natiirlich die gleichen und als

    -n hy-mel-tal,, do gotr in ga

    vorzutragen, ebenso Vers 3: ae f g ded und Vers 6: ae f gedd als

    suor er-swn fuhrt i ku--ner sti I

    , t

    Wolf iibertragt sie verschieden. Das ist musikalisch unwahrscheinlich: der Wechsel fachen Aufbau A B C: A B C D- E F G: E F' G H entspricht, wird zerst6rt. Wir haben fachen Aufbau A B C: A B C D - E F G E F' G H entspricht, wird zerst6rt. Wir haben also bei der Ubertragung den letzten Ton, auch wenn er verdoppelt oder verdreifacht wird, als den Ton der letzten Hebung zu betrachten, und von ihm aus riickwirts zu rechnen. Das gilt, solange nicht besondere Griinde entgegenstehen, und ist m. E. auch bei iihnlichen Handschriften als niichstliegende Art der tbertragung zu versuchen, solange es angeht.

    Wenden wir uns der Handschrift Darmstadt 22254 zu, die 1410 geschrieben wurde. Auch sie bringt Haken als Notenzeichen und Striche. Ihre Lieder wurden mitsamt

    5 Vgl. dazu auch die Mondsee-Wiener Liederhandschrift, hrsg. v. F. A. Mayer u. H. Rietsch in Acta Germania III. IV. 1895/96.

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  • 30 Deutsche Lieder um 1400

    ihren Melodien von Joh. Wolf in dem erwdihnten Liliencron-Artikel veriffentlicht, das Lied: Begirlich in dem hertzen min aulerdem in seinem Handbuch der Notations- kunde 6. Gegen diese tIbertragung erhob nun also Gennrich in seiner erwdihnten

    Abhandlung Einspruch. Ich bringe zunichst die Melodie, wie sie im Original steht:

    I- -- -- - - -

    Die Melodie hat 46 Tone - waihrend der Text 10 Verse zu 8 Silben, also 80 Silben hat. Joh. Wolf stellt fest, daB die Striche anfangs Halb-, spiter Ganzverse abtrennen und das Tonmaterial erst ausreiche, wenn Zeilen mit demselben Reime die gleiche Weise erhielten. Er gruppiert also die Reimfolge a b a b c c d e e d wie folgt: ab:fl c:11 d le:l1 f. 11. D. h., er iibergeht die Reime d, schiebt 2 T6ne ein (wogegen nicht unbe-

    dingt etwas einzuwenden ist) und 1iiBt die Zeilen c und e sich unmittelbar hinter- einander verdoppeln. Das ergibt 4 wiederholte und 2 nicht wiederholte Verse, also 48 (46 + 2) T6ne und 10 Verse. Gennrich baut die Strophe anders: a b:l c c d =

    e e d:lI Das sind 5 verdoppelte Verse, denen nur 40 T6ne entsprechen sollten. Die

    iiberschie8enden 6 T6ne bringt er als Anfangs- und SchluBmelismen unter - je 3 hier und dort. AuBerdem beriicksichtigt G. die Melodiefiihrung, d. h. die Sequenzierung: a g f c e f e g f e d d e d, sowie die oben erwiihnten Regeln fiber die melodische ,,An-

    kniipfung, d. h. die Gewihrleistung einer ungest6rten Kontinuitait der melodischen Linie". Sie bedingen, daB die neuen Zeilen mit dem SchluBton der vorangehenden Zeile oder seiner Sekunde beginnen. Durchbrechungen, wenn etwa die eine Zeile mit

    der Finalis schlieBt, die andere mit der Konfinalis beginnt, weisen auf Abschnitts-

    gliederungen hin. Zweifellos hat Gennrich recht, wenn er zuerst den Bau der Lieder

    klart. Die Formulierung, daB der damalige Sainger sich nicht fiber die Reime unter-

    richtet habe, ist zwar scharf; er wird auch nicht den Strophenbau studiert, sondern die

    Lieder gekannt haben. Aber das Wolfsche Prinzip der gleichen Reime ist dem des

    Strophenbaues unterlegen. Wie verha*lt es sich aber mit den Strichen? Gennrich beachtet sie nicht. Es ist an-

    zuerkennen, daB er von der Symmetrie der Lieder ausgehend, zu einer Gestalt der

    Melodie kommt, die einem GroBteil der Strichabtrennung recht erfreulich7 entspricht; aber stellenweise durchschneiden die Striche so seine ,,Verse", daB sie von den Strichen

    als falsch bezeichnet werden, - oder daB die Striche falsch sind. Wolf seinerseits nimmt die Doppelnoten nicht als Laingszeichen. Aber die Striche entsprechen in der Tat nicht den Versen; dann diirften nur 5 Gruppen bestehen, das Manuskript hat ihrer 9. Nun

    ist aber das untersuchte Lied nicht das einzige der Handschrift, und es geniigt ein Blick auf die anderen Lieder, um festzustellen, daB die Melodiestiicke im Bau denen

    der Ansbacher Handschrift entsprechen. So m6chte ich also entgegen Wolf die Doppel-

    6 Bd. 1, Leipzig 1913, S. 178. 7 Erfreulicher um so mehr, als man auch andere Symmetrien oder Sequenzierungen hiitte heraush6ren

    k6nnen: z. B. efe dagfe ~ efe egfed.

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  • Deutsche Lieder um 1400 31

    note am SchluB der Abschnitte als langen Einzelton verstehen, gegeniiber Gennrich aber die Sinnhaftigkeit der Striche zu verteidigen suchen. Die Zahl der T6ne in den einzelnen durch die Striche gebildeten Abschnitte betrigt: 4 4 4 4 4 8 4 7 7. Die erste

    Siebenergruppe endet mit der Wendung aha - wo die Achtergruppe ahaa bringt. Hier scheint ein Ton zu fehlen, wie auch Wolf annimmt. Bei der 2. als der Schlu3zeile eriibrigt sich die SchluBdehnung; so da3 also hier keine Schwierigkeit entsteht und die Siebenerzeile unbedenklich einer Achterzeile gleichgesetzt werden darf. Was sollen aber die Vierergruppen? GewiB, man kann 2 Vierer zu einem Vers zusammenschlie6en, dann bleiben aber immer noch 2 einzelne Vierer iibrig, so einer zwischen dem 1. und 2. Vers des Abgesanges, die beide mit der gleichen Wendung aha(a) schlie6en. Von den 5 Teilstiicken schlieBt das 3. und 5. mit Doppelnoten; man wird sie also so zusammen- setzen, daB diese Liingen die Verse beenden: 2+ 3, 4+ 5. Es bleibt das 1. Teilstiick als 2. Rest iibrig. Diese 2 Reste diirfen Instrumentalstiicke sein: das 1. er6ffnet das Lied - das 2. trennt den 1. Abgesangsvers ab; es steht so vor den 2 SchluBversen, wie das Ein- leitungsstick vor den Stollen: xAB xAB C xCD. Der 2. und 4. Strich sind also iiber- fliissig, irrig. Der Irrtum diirfte entstanden sein, indem der Schreiber beim Setzen der Striche mechanisch vorging und vergaB, daB die erste ,,Dipodie" = Vierergruppe fiir sich zu stehen hat; er diirfte also zuerst Strich 2 und 4 geschrieben haben, und dann ver- bessernd Strich 1, 3 (und 5 usw.). Dieser Irrtum waire begreiflich - und wilrde die Sinnhaftigkeit der Striche nicht gefrihrden; dieser erklairbare Irrtum ist harmlos im Vergleich zu Gennrichs stillschweigend aufgestellter These, daB der Schreiber seine Melodie mit bedeutungslosen Linien verziert habe. Fraglich bleibt noch, wie das instrumentale Stuick zu iibertragen ist? Beginnt es mit Auftakt, so fehlt die SchluB- dehnung. Beginnt es mit Hebung, so schlieBt es mit unbetontem Tone; das ist aber unwahrscheinlicher.

    e.Be- gi U-kchimt de m er-twn vMin 3 JAb iCh ge-wahtdin egenzA sin.

    + da.s weis-c znitdas i.st ar Let-.

    Doc wu4s id at - so li- denm mid, p ch wolv du wis.-tse

    m begr.

    6 b? das ich in - nen br "*e diz, wie garsen -lich ver- Lan-ge rur, das a-ls m

    .hof-fen sandir lw.

    mu e-gen.hetere- k6m-nen gic.

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  • 32 Deutscke Lieder um 1400

    Als 2. Text derselben Handschrift sei das Lied Ich stand in ellend naht und tag besprochen. Es enthdlt 13 durch Striche abgegrenzte Melodieteile mit 10+ 98 +? 8 + V18 + V8 + 4 +V4 + 98 + 4 + 4 + 9+ 8 + 8 +s 8 T6nen8, denen 9 Verse mit den Rei- men a a b c c d d d e gegeniiberstehen. Die Reime sind im iibrigen in den 3 Strophen die gleichen. Die Silbenzahlen (u. Reime) lauten in den 3 Strophen:

    I: II: III: 8 8 8 a 8 8 8 a 7+ 8+ 8 b

    8 8 8 c 5 4 4 c

    10 8 8 d 7 4 3 d

    8 7 10 d 9 8 7 e

    So diirfte die Zahl der Hebungen im Strophenschema lauten:

    4a 4a 3 b 4c 2c 4d 2d 4d 4e

    Da die Zahl der Noten die der Silben bei weitem iibersteigt, nimmt Wolf instru- mentale Mitwirkung an. AuBerdem nimmt Wolf hier an, daB die Melodieglieder mit der Hebung beginnend notiert wurden, und iibernimmt die Auftakte von den SchluB- t6nen der vorangehenden Verse. Es ist Wolf natiirlich hierin zu folgen. Wolf hat dann noch die Ubertragung von der 1. Strophe aus versucht, die iiberschiissigen Silben des 6. und 7. Verses unter MiBachtung der Trennungsstriche mit Tbnen versorgt, und die

    Versus-Zeichen (91 in der obigen Aufstellung der T6ne) als unverstaindliche Spielerei des Schreibers villig iibersehen. Sie sind aber recht wichtig; sie sind der Schliissel zu unserem Liede und schlie6lich auch zu den anderen Liedern der selben Art. Es sind

    ihrer 9 und ihre Tineziffern 8 8 8 8 4 8 4 8 8 entsprechen genau den Hebungszahlen des Textes: 4 4 4 4 2 4 2 4 4. Somit gibt sich folgende Uibertragung:

    s Die -Zeichen stehen in der Handschrift.

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  • Deutsche Lieder um 1400 33

    D2

    S "I

    e 1 , K 3 h sMnAin el-teno n wuteracg;

    ... ,7,.; . K ob idh woft UA- Sitqofrf Sag,

    )S.

    isr

    .ar fe.r

    SSo hAticrl hem"r I- d,

    i biss oi~hd sivifti fro ge-s'wt.

    z:,- seL- ben j J , ,(l

    FO"- ,meh , 'm

    " e-Lv-e ich -o bi e

    - 'ser.

    so wo U her-tm SUL .

    Die Verse gliedern sich motivgemdif wie folgt:

    Melodie: Text: ABA -aab Cde c -c Fed d d- GDE d-e

    Dabei fillt auf, daB die Zwischenpartien mit der Untersekunde der Finalis, die

    Textpartien mit der Finalis schlie6en - mit Ausnahme der Einleitungsverse. Man k6nnte natiirlich einen Schreibfehler annehmen; aber ich glaube, man tut besser, sich so lange wie mdglich an die Vorlage zu halten.

    Eberli, du bist so gar ein gtter man.

    Die Melodie besteht aus 2 durch einen Strich abgetrennten Teilen, die melodisch gleich sind, sich aber rhythmisch unterscheiden: In der 1. Hdilfte werden die ersten

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  • 34 Deutsche Lieder um 1400

    6 Tone verdoppelt, der 7. verdreifacht, in der 2. Hdilfte der 7. und der 18. (letzte) verdoppelt. Die Zahl der T6ne betragt also ohne Verdoppelungen 2 X 18 = 36, mit Verdoppelungen: 46. Die Textstrophe besteht aus 3 Versen, Wolf zufolge aus einem Stollen mit 2

    ,sechshebigen und einem Abgesang mit 1 vierhebigen Vers.

    Was macht Wolf aus diesem Material? Er streicht die 1. HAlfte der Melodie -

    wegen der ,,ungliicklichen Wahl des Alt-Schltissels" sei die Melodie ein zweites Mal notiert worden. Da nun die Tonzahl nicht ausreicht, wird der Stollen wiederholt,

    desgleichen der SchluBton dieses Stollens - w~ihrend die vorliegende Verdoppelung (oder Verdreifachung des 7. Tones) als rhythmische Nuancierung gedeutet wird. - Mir scheint nun zunaichst, daB das Versschema nicht genau wiedergegeben wird: Die Zahl der Hebungen diirfte 6, 6, 5 betragen, da in den 13 Strophen der erste Vers in 7 Faillen 6 Hebungen, der 2. in 9 Fdillen 6 Hebungen, der 3. in 10 Fillen 5 Hebungen (nebst Endung) enthilt. Dann kommt aber der Abgesang mit dem ihm von Wolf zur

    Verfiigung gestellten Material nicht aus. Ich m6chte mich also genau an die Vorlage anschlie8en und bis zum 7. Ton, der verdoppelt oder verdreifacht wird, den 1. Ab- schnitt reichen lassen. Er diirfte instrumental vorgetragen worden sein, wie aus der

    Melodiefiihrung hervorgeht, deren Spriinge akkordisch wirken. Die Textmelodie

    erklingt also in allen drei Versen gleich - bis auf .den

    weiblichen SchluB; ebenso ist der

    Instrumentalpart gleich, nur daB er in den ,,Stollen" mit Doppelwerten sich wichtig macht, im Abgesang in kurzen Werten sich iiberstiurzt. Das ist gewiB sehr primitiv. Aber der Gassenhauertext ist auch primitiv.

    D3

    E -Lber-

    I, dw b

    srso Qar en, -

    4 enm dc6 gedrinkesso ldis-ru Eber-is un-sdan

    mich wun -r ser,wer di s kelf tfac .

    Glihck und Seligkeit.

    Die (2bertragung dieses Liedes bereitet keine Schwierigkeiten. Hier verzichtet Wolf auf Ubemrnahme der ZeilenschluBtane als Auftakt (freilich ohne die Konse-

    quenz fiir die iibrigen Lieder zu ziehen). Allerdings hat die Vorlage im SchluB- abschnitt 2 X 9 T6ne. In der Wiedergabe bei Wolf, Liliencronfestschrift S. 414, fehlt ein Ton. Wolf deutet den 1. Doppelton als ,,Fermate", den 2. als Fehler. Bei meinen bisherigen Ubertragungen aus dieser Hs. kamen solche Fehler nicht vor; und mir scheint, man kann ohne dieses Hilfsmittel auskommen: In der 6. und 7. Zeile wer- den die Auftakte nicht von der vorhergehenden Zeile iibemommen. Dadurch begibt sich die 6. Zeile aus dem Zusammenhang. Da nun die Melodie 1 Zeile mehr hat als der Text, muB eine Zeile instrumental gewesen sein (falls nicht ein Textvers wieder-

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  • Deutsche Lieder um 1400 35

    holt wird, was aber wenig wahrscheinlich ist). So ware also diese 6. Zeile die instru- mentale. Auch wire es sonderbar, wenn der Text nicht auf der Finalis schlbsse, sondern - wie bei Wolf - dieses dem Begleitinstrument iiberlieB.

    D4c

    Ui&..... .at -I

    eAt, ar

    v 1,cL

    u, u.- Le se-k- ,-

    kew,

    A

    vil, c-tcr tlar wir-d1-kei,

    ,z Lch(- v)einwen e es s& W

    ZaPrT libs-t~ fr6, dAs I4isdd tdir.

    der nuwge-bomd r

    aUf nut,

    fr& - werd u-tei.

    cL es' di fre 'I " :

    Was soil ich furbas fohen an.

    Der Text ist unvollstindig, und so kann die Melodie nicht restlos gedeutet werden, zumal die Zahl der T6ne schwankt. Zweifellos sind die 2 ersten Teilstiicke als Stollen- melodie zu wiederholen. Dann besteht das Lied aus 10 Teilstiicken, die ich mit Schlu8- ton, Tonzahl und Motivandeutung bringe:

    1: C 7 c 2: F 9

    (C 7 a

    3: C 8 4: F 12 8 5: C 9

    6: F 9 7: F 10o 8: C 10

    C 7c F 9p

    Das 7. Teilstiick k6nnte den eigentlichen SchluB darstellen, - als Bekraiftigung des 6. und Wiederholung des 4. - Das 8. aber bringt HalbschluB und wiederholt Teilstiick

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  • 36 Deutsche Lieder um 1400

    5. Man muB also annehmen, daB der eigentliche SchluB fehlt, d. h., daB die Verse 1 und 2 wiederholt werden. Dabei fdiiit auf, daB Teilstiick 5 und 8 einen unn6tigen Auftakt bringen. Vielleicht waren sie instrumental? Teilstiick 7 mit 10 statt 12

    Ti-nen, die sein Gegenstiick 4 hat, und 8 mit 10 T6nen statt mit 11 des Gegenstiickes 5 sind zweifellos fehlerhaft9 o

    Ds5

    AL'. ,wI w~as sotl ich fr- hs f- he..,. sid. iat dith n-me e- hencw

    I) I das si'ch

    min fwd 6werd me - ren, und liep-ich ?z ct" ke- ren.

    (Ix)

    t,) I /AI OI

    AL -

    ,,(4-

    So hitten wir hier einige Kompositionen, bei denen selbstlindige Instrumental-

    partien mit den Vokalpartien abwechseln. DaB es sich nicht um ,,vokale Melismen"

    handelt, geht aus dem Lied hervor, bei dem ausdriicklich die vokalen Partien durch TV gekennzeichnet sind; die Kennzeichnungen waren zwecklos, wenn es sich bei den an-

    deren Partien um Melismen, d. h. auch um vokale Melodieteile mit Textbindung

    handeln wiirde. Eine zweite Frage ware, warum die Noten iiber dem Text fiir sich

    stehen. Weil so die Aufzeichnung sparsamer oder leichter ist? Das scheint mir zu

    oberflichlich geantwortet zu sein. Die getrennte Strichweise setzt voraus, daB die

    Musik als etwas vom Text Gesondertes zu verstehen ist. Das ist sie aber nicht fiir den

    Stinger. Ein Stinger oder ein ffir den Siinger Schreibender wird stets die Noten mit dem

    Text verbinden. Anders der Instrumentalist. Man muB also wohl annehmen, daB die

    Noten vom oder ffir den Instrumentalisten geschrieben sind. Dann erklirt sich auch

    die Vemachlissigung des Auftaktes, der in der Komposition zwar eine geringe Rolle

    spielt, da er oft fehlen, wegfallen darf und der kurz vorgetragen wird - den der Singer

    9 Ubergeschriebene Noten oder Notenwerte geben das Original wieder. 10 T = Textzeile, I = Instrumentalpartie.

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  • Deutsche Lieder um 1400 37

    aber doch im gegebenen Fall vortragen muB, wtihrend der Instrumentalist ihn nicht braucht: er halt seine lange Note aus.

    Sehr aihnlich der besprochenen Handschrift ist die niederrheinische Hs. Berlin germ. fol. 922 (jetziger Aufenthalt unbekannt) der Zeit zwischen 1410 und 1430.

    liber sie berichtet: Lang, Marg.: Zwischen Minnesang und Volksliedtt. Ahnlich ist zundichst die Schreibung der Melodien. Auch sie stehen fiber dem Texte, und auch sie diirften ffir den Instrumentalisten bestimmt sein. Indem das Wissen und die praktische Erfahrung mit Stollenwiederholungen und iihnlichen Dingen vorausgesetzt werden, kommt auch von diesem Punkte aus der schlichte Stinger nicht in Frage. Wiederum trennen Striche die Melodieabschnitte ab, und damit stehen wir vor der Frage, wie diese Abschnitte den Versen der Texte zuzuweisen sind. Gennrich hat zweifellos Recht, wenn er die oben erwiihnten Kenntnisse des Strophenbaus voraussetzt. Er hat auch Recht, wenn er den Bau der Melodie beachtet. Diese Dinge reichen aber nicht aus. Ergdinzend treten Beobachtungen hinzu etwa fiber die Gr6Be der Melodieabschnitte. Filr 8silbige Verse scheiden Abschnitte mit 2 oder 4 T6nen aus, in der Regel auch die mit 6, falls man nicht zu der behelfsm5iBigen Annahme greift, daB der Schreiber sich vertan hat. Miiller-Blattau freilich nimmt an, daB bei solchen kleinen Gruppen die Tbne zu verdoppeln seien. Diese Annahme 6ffnet der Willkiir beim Uber-

    tragen alle Tiiren und ist durchaus unwahrscheinlich, da der Schreiber vor Ver- doppelungen keine Scheu hat. Ehe wir eine solche Willkiir des Schreibers annehmen,

    mifssen wir alle M6glichkeiten, die von einem vernfinftigen Gebaren des Schreibers ausgehen, ersch6pft haben. Auch lo-Ton-Abschnitte sind nicht wahrscheinlich als Textmelodien. Natiirlich k6nnen aber umgekehrt Abschnitte mit 8 T6nen flir das Instrument bestimmt sein - d.h. es wird auch nach Ausscheiden der einwandfrei instrumentalen Partien die Zahl der Abschnitte nicht ohne weiteres der Zahl der Verse entsprechen, wobei natiirlich der zuerst erwlihnte Aufbau mit den Melodie- wiederholungen bereits berficksichtigt sein m6ge. Es k6nnen aber auch Striche zuviel geschrieben worden sein, wie wir bereits bei der Darmstdidter Handschrift beobachte- ten. Wenn die Noten ffir den Instrumentalisten geschrieben worden sind, besteht kein Zwang, derart die Textpartien auszugliedern - falls der Instrumentalist sie mitspielt. So werden 6fters Zweifel iibrig bleiben.

    Zu fragen ist auch, wie die T6ne der Abschnitte rhythmisch zu verstehen sind. Auch hier muB man zundichst daran festhalten, daB die Tonverdoppelung am SchluB der Abschnitte den Rhythmus klarstellen: In den Normalfrillen mit 2, 4, 6, 8 T6nen beginnen die Melodieteile also ohne Auftakt. Es ist beachtlich, daB meist im 1. Melo- dieabschnitt sich Auftakte befinden. Dieser Normalrhythmus gilt auch fiir die 2-Ton-

    Gruppen. Ein Rhythmus J wird fragen lassen, warum die Verdoppelung fehle. Der

    Rhythmus schliet andererseits die Gruppe eng an die niichste an, erglinzt sie

    11 Vgl. ferner: C. v. Kraus, Zu den Liedern der Berliner Handschrift Germ. Fol. 922 in: Abh. d. Bayer. Akad. d. Wiss. Phil.-hist. Abtlg. NF 21/1942. Soweit Kraus den Text normalisiert neu herausgegeben hat, wird diese Fassung den Melodien untergelegt, da den Melodieaufzeichnungen Strophenschemata, also normalisierte Texte zugrunde liegen. (Kr = Text v. Kraus; ML = Marg. Lang.) Vgl. ferner Gennrich a. a. O., S. 130 ff.

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  • 38 Deutsche Lieder um 1400

    zur 4-Ton-Gruppe oder wird Baustein einer 8-Ton-Gruppe. Der Einsatz des Saingers ist schwieriger, wenn dergestalt die SchluBdehnung dem vorangehenden Abschnitt fehlt. Zu fragen ist naimlich, wie diese auftaktlosen Gebilde mit dem auftaktigen Text zu verbinden sind. Das ist bei den vierhebigen, achtsilbigen Versen, denen 8-Ton-

    Gruppen mit SchluBdehnung entsprechen, leicht zu beantworten. Der Auftakt wird von dem vorangehenden langen SchluBton entlehnt. Anders liegt es bei den 2-, 4sil-

    bigen Versen; hier fehlt oft der lange SchluBton - und man muB gegebenenfalls diese Halbverse zusammenfassen, die Reime als Binnenreime betrachten und die Trennungs- striche sozusagen vernachliissigen - in der Annahme, daB sie nur fiir den Instrumen- talisten gedacht sind. Es wird das am Beispiel deutlicher werden.

    Wie mach.

    Dieses Lied bietet keine besonderen Schwierigkeiten. Der Textaufbau lautet: ab :11 ccw. Entsprechend zerfallen die Tane der Melodieaufzeichnung beim Stollen in 2 Lang- gruppen mit 9 und 8 T6nen + 2 Kurzgruppen, beim Abgesang und Refrain in 3 Lang- gruppen mit 7 (wobei der 1. Ton fehlt), 8 und 12 Tbnen. Von dieser letzteren sind die 4 ersten T6ne abzutrennen, so daB ein regelmiBiger Wechsel von Gesang und

    Instrumentenspiel entsteht: T I T I :11 T I T I T. Die Zwischenspiele haben im iibrigen verschiedene Aufgaben: UIberleitung nach Vers 1, (3) und 5, StollenschluB nach Vers 2 (4) und Vorbereitung des Strophen- schlusses nach Vers 6.

    1/72 (v. Kr)

    SWie mtad & s gotge f-

    j.- gen so, 3 myn taert und, kh warn di- ke vro

    2 SSS goef in ckerE lt bes ge- ker? 4 mer reck-tar do-geD e woL ge-hert.

    s nu enadiis dock so blW- ber ndch:

    "ek wit ei~ bar-ies wer- den twaer

    r des be-ste mn ~mir sela-den, gic, .4

    7 htr umSos moer iohs laes-sen sin.

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  • Deutsche Lieder um 1400 39

    Nu frauwe.

    Das Lied ist mit Gennrich12 als 18zeiliges Rondel zu verstehen mit dem Aufbau ABCD abc ABC abcd ABCD. Alsdann ist fiir den dreiversigen Hauptteil regelmaiBiger Wechsel das Gegebene: allerdings miissen Gruppe 3+4 zusammen die 2. Versmelodie

    ergeben. Die Abschnitte 5 und 6 sind zweifelsfrei instrumental zu verstehen: 5 wegen der unsanglichen Melodiefiihrung, 6 wegen der Zahl der Tone. Es ergibt sich also die

    Folge T(9 T6ne) I(8) T(8) I(10) T(8). M6glich wire auch T(9) T(s) I(s) I(10) T(s). - Der Schlu~vers, dessen Hinzutreten oder Ausbleiben die Strophen des Rondels unter-

    scheidet, ist abgetrennt. Ihm kommen die ersten 8 T6ne der Melodie zu (bis zur

    doppelt gesetzten Finalis). Die folgenden vier T6ne sind instrumental und bedeuten

    Aufhebung des Schlusses vor den neuen Strophen. Sie miissen beim HauptschluB weg- fallen: TITIT : T (I).

    2/73 (v. Kr.)

    1 Nu fi~udidther-te, sidas ff s ik wid dir trw-we hlt-ffenrt 8 weiz dwnafij fkjs-kh lid r ge-SLQ ,

    so wol s ickh heam dir g- q- , uw4 war- te , qCa~n ter vre-d~n tz~ j r, so moes7 idk "b- ws Leg aL - Wt7j.

    3 das dir ir o- ge,- blzk isr konv.

    7 want du bisL da-von lieb- Lyc wont. v t u brwvei , vrau,der seL- ger ston

    AL.---- - -

    ii die .uhmahrAi-1eW

    swr- Sen quijt. 111

    Wie moet uns sin.

    Der Text hat einen verwickelten Aufbau. Er besteht zunaichst aus einem Hauptteil, der sich aus 2 Versgruppen, etwa 2 Stollen und Abgesang zusammensetzt. Es folgt der ,,Kehrreim"; aber er entspricht dem Aufgesang. Dann wird der erste Hauptteil wieder- holt, jedoch nur mit einem Stollen. Fiir die Musik bedeutet dies, daB 2 Versgruppen, Stollen und Abgesang, je ihre Melodie haben miissen. Sie sind einander entgegen-

    12 A. a. O. S. 133. - Meine Zeilenzihlung ist also hier und weiterhin (aus verstindlichen Griinden) vereinfacht.

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  • 40 Deutsche Lieder ums 1400

    laufend gebaut: aufsteigend 2a 2a 2a 4b, und absteigend 4c 2d 2d. Der Melodie- aufbau wird durch die einander korrespondierenden Zweitongruppen gekldrt, wobei diese 2-Ton-Gruppen ohne Zweifel instrumental sind.

    7 2 2 4 4 4

    2 2 4 4 4

    8 4 4 4 2 2 8

    Auch diese Ordnung bekundet einen Wechsel des rhythmischen Laufes. Wie sind aber Text und Melodie miteinander zu verbinden? Die Noten bringen 2 Langgruppen, von denen die letzte nicht einem vierhebigen Vers entsprechen kann. Die erste diirfte den Abgesang er6ffnen mit ihrem Oktaveinsatz; aber wenn sie den Vers 4c erhailt, entsteht keine Symmetrie:

    7+2 2 4 4 4 = 2a+2a 2a

    2 2 4 4 4 = 4b

    8 4 4 4 2 2 8 = 4c+2d 2d

    Auch heischt die melodische Gleichheit von Gruppe 10/11 mit 13/14 Beachtung; das Glied 12 wird durch sie aus dem rhythmischen Spiel herausgehoben. Dann ergibt sich aber eine gute Entsprechung. Voraussetzung aber ist, daB man die 2hebigen Verse (vom 1. abgesehen) als Teile eines Normalverses mit Binnenreim behandelt, d. h. dem Strich nur instrumentale Bedeutung beimitt. Vokal-textliche kann er kaum

    haben, da die Melodie keine Schliisse mit Doppelnoten hat. Beim Einleitungsglied mit 7 T6nen scheint ein Schreibfehler vorzuliegen, entweder ist ein Ton zuviel notiert,

    oder wahrscheinlicher: es fehlt ein Ton. Das 12. Glied m6chte ich als SchluB des

    Stollens betrachten; doch k6nnte es auch den Abgesang er6ffnen. Dann ergibt sich

    folgender Aufbau:

    T: 8 I: 2+2+4 T: 4+4

    I: 22+4 T: 4+4 I: 8:l T:4+4 I:4+2+2 T: 8:

    Also regelmHi3iger Wechsel von T und I. Doch ware auch denkbar der Abgesang:

    T: 8+4 I:2+2+4 T:4

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  • Deutscie Lieder um 1400 41

    3/7+(v.K.) j .A

    (A) MiM moe uIy sin das is, Se - scfts,

    ()3) (()

    I5) wL e ) (_,6)Jd

    !in

    t4(7) (8)

    %d! e ftmi d"m m4v ge--41)wartm dio. en-wit es vn,-nes s r- tengir.

    (3ja/ w~lt-t14- &wtdffl(iL~fol-9 gui,

    'ie d

    'K r I i"i

    (18)d dr --ner d in w~ts.

    Ar; JJ[- Op) 0,

    (15) (1?) (17) A I . . . . .. x-

    Verlangen mir.

    Marg. Lang vermutet ein Rondel, und bei der Tibertragung wurde vom Rondel- aufbau ausgegangen: I T I T : I T (I) :IlI. Doch fehlt textlich das Kehrreimzeichen. Der musikalische Aufbau an sich erlaubt auch eine andere Deutung. Die Melodie be- steht aus 6 Gruppen mit 14, 8, 8, 10, 12, 12 Tanen. Das hohe f der 5. Gruppe er6ffnet den Abgesang, wofern man die Rondelform ablehnt. Die 4. Gruppe mit ihren 10 T6nen diirfte 1 Ton zu viel enthalten; der E-SchluB ist zum mindesten un-

    miglich sowohl tonal wie auch wegen des Nonensprunges Ef 13. Beim Rondel ist die letzte Gruppe, im anderen Falle sind die 2 letzten Gruppen in je einen Textteil bis zur 1. Tonverdoppelung und einen instrumentalen SchluB zu zerlegen. Es folgen sich also I T T T : TITI.

    13 Der 9. Ton ist als Auftakt zu verstehen; er wurde notiert, da er nicht dem Schlul der vorangehenden Zeile entnommen wurde. Dessen G wurde vielmehr vermieden, so daB in unserem Liede nur D a und F oder f als Auftaktt6ne vorkommen.

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  • 42 Deutsche Lieder umn 1400

    1/75 (v. Kr w. M.L.)

    W- ,r-,la,-ge-n

    mir kei ro-e Le + , M8a mnfudeof hof-frn srsee, 6M hercgatru-we ir hair.

    2 noch di-r,dry lieb-ste mu -nec-Lijch, s wiedt mwe-ge schierge- se- en dit. 7 dar- in be-

    sorq,~Ur iebe -stp, mrch,

    3 wan ichvoer at der wertv dihmveidn. a so gere c an-der vreu.-de kein.

    ? J _J / .

    = II

    Al in dem slaef.

    Das niichste Lied14 ist ein 23zeiliges Rondel mit 5 Melodiezeilen. Die Aufteilung bietet keine Schwierigkeiten: Die 3. Textzeile ist ein kurzer Vers. Die instrumentalen Abschnitte bekunden sich durch die Tdnezahl oder die sprunghafte Melodik: T I T I TIT: I T.

    5/76 (v. Kr.)

    " Al i' dem slef mer au-wen- waer 6 Trru, hoe-str hoertv,ra, so~,-der-bAer, 1 Dic. my- ldeaWcr-4, dua- sent aer,

    - II JA I *1 2 noch, w -deund nevw-mr S-

    -dcer- LiW, 7 du, b&t geimmimr un-nA-den rich 11 dr-utn inad' dir ver- Ili-ger nmid.

    0

    14 Vgl. auch Gennriich, a. a. O., S. 131 ff.

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  • Deutsche Lieder umn 1400 43

    s vra ,my-n-ec-l44h, 8 be -den-ke dihk, 12 wa, d.4ad - li&

    - Konmst mir s demn her--twen myn:

    9 dasag watsat ye ge- ve- di& stn. 13 a6ntuka eeLAv, ww -dels sin.

    d6r- ,

    tmid& htch-t4 Lte-be b&L4". Ich quam zu ir.

    l uf er- den nie-ma& lie-bers viu.

    Dieses Lied ist vielleicht das schwierigste. Textlich ist der Aufbau klar: a b :11 c d :11 Refr. e f :11 Die Melodie zerfiillt durch den Doppelstrich in 2 Teile. Der erste ent- spricht einem Stollen: 8 + T6ne. Der 2. schlieBt mit dem SchluBvers des Stollens; aber dem iibrigbleibenden Texte (1 oder 3 Verse) des Abgesanges entsprechen 4 X 4 Tdne (d. h. das Material fiir 2 Verse), wobei nur die letzte 4-Tongruppe einen vokalen

    SchluB erlaubt, die zugehbrige 3. aber recht instrumental anmutet. Andererseits er- schwert die Melodiefiihrung mit dem weiterfiihrenden Ausklang der 2. Gruppe, diese 4 Gruppen auf Singstimme und Instrument zu verteilen. Ich mbchte daher annehmen, daB die Aufzeichnung der 2 ersten Gruppen nicht ganz korrekt ist. Statt 2 X4 T6ne machte ich eine Neunergruppe annehmen: eine Auftaktnote ist notwendig, da der Abgesang von der D- zur F-Tonart moduliert; die SchlulBdehnung durch den 9. Ton ist aber unterblieben, indem die Gruppierung in 4 T6ne schematisch erfolgte. So er-

    hiilt dann auch der instrumentale Zwischenteil als variierende, kriiftige Wiederholung des melodischen 1. Abgesangverses seinen Sinn. TT:11 TIT:fI

    6/77 (M. L.) (v. Kr.)

    W k qL ziuW rd w c doe was dich woe 3 5, sprAcKws sLS der re- de hoe

    2 ick bar sie a- Jso e - re. 4-

    her- Les-ser mic der me- re !

    it han ~m r i?eL-ber eI - nen man, 6 cder al- Ler vreu-de mir ver- gan.

    R U-heit muss-er in be-cuieaw

    7 der mac stj nt ge- li dIet. 8 ic& m ck wol voir-bas ri - IiLen.

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  • 44 Deutsche Lieder um 1400

    Wist ich von dir.

    Textaufbau: a b c d : e f e f e (oder e f e e f). Melodie, durch Doppelstriche in 2 Teile zerfallend: 8 4 4 4 4 8 10 11 6 8 8 4 8 10. Der 1. Melodieteil bereitet geringe Schwierigkeiten; 10 Tbne sind zuviel fUir den Stollen. Es liegt nahe, den letzten Ab- schnitt instrumental zu verstehen. Er besteht aus 6 + 4 T6nen. Der 2. Teil des Liedes mit 6 Gliedern mu3 5 Versen entsprechen. Dabei fallen das s. Glied mit nur 6 T6nen, die unm6glich auf 8 gedehnt werden k6nnen, da sie den Schluf des Stollens in Oktav-

    lage wiederholen, sowie das 11. mit nur 4 Tbnen und das 13., das die Entsprechung zum instrumentalen 7. ist, aus; sie verstehen sich instrumental. Es bleiben also 3 Glieder fiir den Text iibrig, und das bedingt, daB von ihnen die 2 ersten wiederholt werden. Der Aufbau sieht also folgenderma6en aus:

    Ts T4+4 T4+4 T8 I10 :11 16 T8 T8 14 :11 T8 I10

    7/78 (M.L.i v.Kr.)

    S WL5t ix vO1 dir PAtz gar ge- rechr,

    5 u, westWOLd s ich bt , dni knech

    2 als d von mir w wis- sen mtd&c, 6 unA Lebe dir gentz-l&id dag Lund ach

    3 &mrech-t

    ernsraen 4a ge- beirde 7 xnd4hal4taucdlie -bers niz of erden

    . so mod=4k i vro -kch scer- tzen.

    8 dAA dctddasb~tgecmir smer- tiezL.

    9 iCh Lda ni s&- gen, was ch une, uh icM modw te hem eum worte-lin cleii,

    R.fMjn er-lich hert,sa- u. ver- smrn,

    10 u wuIedoch da dues wist VonL Mi. 12 van dir, das c ih 'L mo~ nr-cke. in,,

    13 wie i&h n Fh losvodm Le -ben mirj

    --ts~----------

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  • Deutsche Lieder um 1400 45

    Bei den folgenden Liedern darf ich mich recht kurz fassen; methodisch bringen sie keine neuen Probleme; doch scheint es mir angebracht, die Tbertragungen zu bringen, damit das bisher Gebrachte nicht als zufillig erscheint: Es ist vielmehr typisch. Etwas Erinnerung an die Melodien oder etwas Vertrautheit mit den Gepflogenheiten seiner Zeit vorausgesetzt, konnten diese Melodieaufzeichnungen dem damaligen Musikanten nicht riitselhaft sein. Dazu bringen diese Lieder Material zu dem Verhiltnis von Instrumental- und Vokalmusik, so daB auch deswegen die fbertragungen ange- bracht sind.

    8/82 (M.L.) AI i

    ItWS Lr- me mono4jeid Lep-hiv&groes

    2q m rvin ,u-ssem sl~-- fe.

    40 ,k

    F

    Y. cie nac~tich nicr en strow - ffe.

    -10 ,

    iJ 11 1_J

    I I I

    s MLJn trV-ren. WAS ZU. - ci -qCen. 9 qu Metr: Her ma.comn-nmer vrwc-wen

    sW.

    mWLtjr vreum w anw d4 -se nr- va4.

    :1:,

    7 go0 ht~r si seL-ves qsc6 -cetdaer,

    8eln sad&n~ btldso wot-ge-srA4&.

    Ein wyplich bilde.

    Die instrumentalen Teile: 1, 4, 7 ergeben sich aus Umfang, Sprunghaftigkeit und Entsprechung. Teil 9 k6nnte natiirlich auch instrumental sein; an sich gliedert sich die Musik eindeutig wie folgt 4a:

    1 (:12)+2+3 4 (:8!) +5+ 6:11 7 (:12)+8 9 (:12)+10

    14a Die kursiven Ziffern m6gen die Zeilen, die anderen die Zahlen der T6ne andeuten.

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  • 46 Deutsche Lieder unm 1400

    Man darf vielleicht annehmen, daB der Text einer vorhandenen Melodie adaptiert wurde, wobei dann Teil 9 vokal wurde. Vielleicht hat aber auch der Musikant sich

    geirrt, und das instrumentale Anhingsel a b a a nicht zu Teilstick 9, sondern zu 4 geh6rt. Bei der Cibertragung wurde die erste Textzeile des Abgesanges wiederholt.

    (Vgl. ahnlich Mel. 7/78.) I T T :11 I T :11 I T.

    9/s3 (v. )

    r I I I I J

    i Ei* wijp-Ai4h bil' quanmnr u voe y,

    2 imt M--me slaffe,atL- d~r a lfc~

    - I 1

    - n I I. I I I ] 'O

    3 Ld d-d t-nr vil 9-sseVQMr

    4 das Lch tit wil,was mir ce-sJ - sa

    s Sij an w~h wir- lch -so hir , 6 emn te & ch wijf va gnw-der &Urt,

    refrtwo h, izch wilA oles be- st~ hofban

    I 1i? ,

    1) I I I

    J J

    I I I1

    7 daCs nr dm her- te de - d wee.

    Der 5zeilige Kehrreim ist mit Wiederholungen gebildet wie bei 7/78.

    T T I :11 T T I : T 8 8 8 8 8 12 8

    10/84. (v. Kr.)

    Mi hair met my- ner syn-ne gwlw 3 ge- biL-odev, scoenmtw-lh ge-stk&t

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  • Deutsche Lieder um 1400 47

    I IJ I'

    I J I !- 2 - ses- Sen, Vau, die oe-te Zdijn.

    L 1,- tuw mw 1i demn her- tenmijn. r I o

    p

    5 taut mirV uv m i, m*jn, lieb-st airtv, 7 un, lte nr ar- msAn nc so hur0 , ( ,ef)Du,

    lie -ber tmir voir at die welv

    6 uvl hsktai-irehttw di,- nerr 8 want ichi ge- n,-de vana dir , ai

    II o

    9 d~s al din hertge- l ,e-ne -nir.

    Ein szeiliges Rondel.

    T I T I T I:11 T I (oder I T?) 8 8 8 4 8 8 8 8 8 8

    .i/8s (v. Kr.)

    i My h ker- t kaiv ge- schei-den sich s E E -f is, mvra" -, ne- d - i 8 Met ; t-tce . tr-wen Ich

    das sprih,

    2 van rnr ZM. dir, zairu hog-st~e et, 6 dorchCaL dijm qWd:d. vinkit; keui iteu, q d.s idt z. dUr aL-1- l4k ghe-mcin

    7 g - buir ic hait dei wit -lem, ej . vo ge - wiL- Lez hkAindas her- tze mr/jm.

    'I.voiw a der werlr dir weir- d4,g-kei. 11cdas sj zuadienst dir We be - rrau.

    IT IT :11 1 T T I 88 88 12 8 8 6

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  • 48 Deutsche Lieder umn 1400

    12/ (v.Kr.)

    dTsat- er khoertwes t s-dta mich 3 divjng a-el a s-lt ve-sc-lic

    Sda.s dt geui mir didtc hasc owhairt 4och gence-ki- chCe A*L mir vir- spU'4*VL

    Sdaws icJ dock h Jinvir-S ll-de nie 7 waes ick om oe c o ye ge- i 1e,

    Refr&As ih nu ge - schic- an dir

    b moes ic&l ger, dir ein vrmden staen.

    a ick hainsyKdandnod lon en-pfaen. ! ! ,.- r~os LE 9r ei vrm te

    Ich lasse noch ein auch bisher mi6verstandenes Beispiel 14b folgen: den Beginn des dainischen ,,Volksliedes" Dr6mde mik, soweit es notiert wurde, d. h. mit je einer Text- und einer instrumentalen Doppelzeile.

    Dr"o-dz mir e ci drm i Ylr

    wmn siL-k ok ~er- Lk padl

    - -l ' ,,

    F

    Damit wdire aber die Gestalt dieser Lieder wohl soweit erarbeitet worden, daB wir ihr nunmehr einige stilistische Untersuchungen widmen k6nnen. Im Vordergrund stehe dabei die Rolle des Instrumentes. Eine instrumentale Begleitung des Minne-

    sangs ist bisher mehr oder weniger selbstverstaindlich gewesen. Sie ergibt sich einer-

    seits aus dem Bildschmuck der Liederhandschriften, wie etwa der sog. Manesse-Hs.

    Obwohl kein Singender abgebildet ist, also auch kein Singender mit Instrumental-

    begleitung, ist doch das Musikinstrument neben dem Minnedichter sofort greifbar.

    14b Joh. Wolf, Handbuch der Notationskunde I, S. 119.

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  • Deutsche Lieder um 1400 49

    Und er hat es beim Gesang in der Hand gehabt. Ein Beispiel sei Walthers Lied: Ob ich mich selben riiemen sol (62, 6), in dem er den Kaiser auffordert, zu spielen und den Kaiser so beeinfluBt, daB dieser nach dem Instrumente greift und die Mahnung erhailt: Nein, - anderswd. Wie ware hier eine Pointe m6glich, wenn er nicht die Fiedel in der Hand gehabt haitte - und wenn er sie nicht wie iiblich in der Hand gehabt

    hditte. Ein Witz, eine Pointe mit auffallender Vorbereitung ziindet nicht. In Frage steht, wie das Instrument verwendet wurde. Die naichste M5glichkeit ist die, daB es im Einklang begleitete, also stiitzte. Auch hierfiir ein Beispiel bei Walther. Sein

    Spruch 34/4 AM- wie kristenliche schlieBt in der sog. Manesse-Hs. defekt: und lant die tiutschen ... vasten. (So auch bei Lachmann.) Kraus ergainzt: und lant die tiutschen leien magern unde vasten. Mit welchem Recht? GewiB - man wird nie vergessen diirfen, daB den Spriichen ein ,Ton' zugrunde liegt, und dieser Ton verlangt fiir die SchluBzeile 6 Hebungen; man wird sich in der Regel durch Emendationen bemiihen, den Forderungen des Schemas gerechtzuwerden. Aber man darf doch nicht Aus- nahmen unm6glich machen. Und so m6chte ich hier zu Ehren der Hs. eintreten. Die

    Verbesserung von Kraus ist lahm; der Vers flieBt weiter und indem durch magern die Pointe von vasten vorweggenommen wird, verpufft sie. Hat Walther aber 3 Hebungen unterschlagen, und setzt er vasten auf die Finalis, die doch melodisch vorbereitet werden muBte und durch die Spruchmelodie, wie sie zu den anderen Strophen des Tones verwandt wurde, auch vorbereitet wurde, so ist beides eigentlich nur m6glich, wenn ein Instrument die Singstimme vertreten hat, die Hebungen angedeutet und die Melodie zur Finalis gebracht hat. Ein Melisma fiber 6 Silben hinweg ist natiirlich denkbar, haitte aber keine Spannung geschafft, sondern eine ganz andere Wirkung hervorgerufen.

    Neben dieser Begleitung im Einklang sind auch organale Begleitungen in der Dia- phonia basilica oder in paralleler Stimmfiihrung denkbar. Es kliBt sich freilich m. E. wenig dariiber ausmachen, und es wird landschaftlich verschieden sein. Sehr interes- sant ist hier die 6sterreichische Mondsee-Wiener Liederhandschriftt5 mit ihren Hin- weisen auf die Instrumente. W 11: Das nachthorn, und ist gut zu blasen: mit der

    Angabe: Das ist der pumhart dar zu. Die Stimme begniigt sich mit den T6nen D und a (mit 3 Ausnahmen, die in dieser Seltenheit etwas fragwiirdig werden). W 12: das tag- horn, auch gut zu blasen, und ist sein pumhart dy erst note und yr Underoctava slecht hin. Auf Beteiligung des Instrumentes (Begleitung durch die Finalis als Halteton) weist ferner der Titel des Liedes W 13 Das KchiUhorn hin. W 15: Das haist dy trumpet und ist auch gut zu blasen. In diesem Taglied ist die Melodie verteilt: Das scwarcz (der Notation) ist er, das rot ist sy. Die Begleitung (Das ist der wachter dar zu) ent-

    hailt auch Text. Beide Melodien bewegen sich fast ausschlie6lich auf den T6nen D F a c d. Diese Handschriften sind zwar spait - unseren Handschriften mit textloser Notation gleichaltrig; aber wir diirfen m. E. die organale Begleitung fir alt halten.

    Neben dieser liingst bekannten Verwendung der Instrumente besteht natiirlich auch noch die Miglichkeit, dab das Instrument die Tonh6he angibt, die Intonation er-

    '5 In Acta Germanica III. IV; 895/96. Diese Lieder werden mit W zitiert, die Darmstidter mit D, die Berliner nur durch Ziffern. (Nummern der Weisen und Texte.)

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  • 50 Deutsche Lieder um 1400

    leichtert - vor allem zu Beginn des Stiickes, vielleicht auch noch vor dem Abgesang; solche Hilfsaktionen geh6ren natiirlich nicht zum eigentlichen Lied, und es waire t6richt, irgendwelchen Spuren in der Notation nachzugehen.

    Das sind alles dienende Rollen. Doch nimmt man gelegentlicht" auch an, die Melismen einzelner Lieder seien instrumental zu verstehen. Indessen: die Notation

    spricht gegen die Annahme. Der Text steht unter dem Melisma; auch litl3t sich der

    etwaige vokale Teil nicht vom restlichen instrumentalen abtrennen. Das Melisma

    zeigt selbstverstiindlich meist rhythmische Gestalt"7. Aber eine solche rhythmische Gestalt zeigen auch Melismen der kirchlichen Cantiones, schlie31lich auch manche

    Meistersingerfiguren. Sie ist nicht durch eine instrumentale Ausfiihrung bedingt. Melismatisch ganz extensiv ist das Minnelied Ich setze 18, ohne daB man hier einzelne Teile als instrumental ausscheiden k nnte. Der oben erwaihnte Spruch Walthers - falls er richtig gedeutet wurde - ist aber eine Ausnahme, die wegen dieser Ausnahme-

    wirkung gerade die Regel bestiitigen wiirde. Vielleicht aber verbergen sich in den Einleitungsmelismen instrumentale Vorspiele,

    oder noch deutlicher und krasser ausgedriickt: haben sich vielleicht aus den vokalen

    Eingangsmelismen instrumentale Vorspiele entwickelt? Ich glaube nicht; vielmehr wird man beides deutlich scheiden miissen. Das Melisma als vokaler Melodieteil ist zu verbreitet - auch bei den Cantiones z. B. -, als daB man es nicht als solches an-

    erkennen sollte. Ich verweise auf die beiden Beispiele in meinem mittelalterlichen Choral. Das Einleitungsmotiv Castis der Moosburger Cantio Castis'9 ist gesun-

    gen worden; denn die 3 Strophenanfainge Ca (-stis), Tu (-mescens), Lu (-trans) nennen den heiligen Catulus, den Patron von Moosburg. Nicht gesungen wiirde das

    Akrostichon seine Wirkung verfehlen. Bei der Mariencantio Ach me dignare20 ver- bietet die Motivwiederholung einen instrumentalen Vortrag. Andererseits bekundet

    die Textierung der ,,Melismen" in der Wiener Hs. deutlich seine instrumentale Aus-

    fiihrung. Die Silbe wird niimlich nur mit dem Initialbuchstaben unter das Melisma

    gesetzt, der Rest der Silbe (also zumeist der Vokal und SchluBlaut) wird unter einem

    gesonderten Ton geschrieben. Hier mit diesem Ton beginnt also der gesungene Text,

    und anders ist die merkwiirdige Schreibweise nicht zu erkliiren. DaB Initialbuchstaben

    abgetrennt werden, ist nichts besonderes. DaB sie an den Anfang tretend, das Lied

    abgrenzen von dem Vorangehenden, ist eine Selbstverstdindlichkeit. Mit Konsequenz diirfen wir dann andere textlose ,,Melismen" dieser Lieder als Instrumentalpartien verstehen. Sie sind aber wiederum nicht aus den vokalen Melismen abzuleiten. Wie

    16 Vgl. u. a. Joh. Wolf, Handbudc der Notationskunde I, S. 177 f. P. Runge, Lieder des Hugo von Mont-

    fort, Leipzig 1906, S. 9. Ich werde dazu aber in einem Artikel, Die Melodien Hugo v. Montforts, noch

    Stellung nehmen. 17 Wie weit man sich bei dieser rhythmischen Gestalt von dem entfernt hat, was man heute oft noch

    filschlicherweise als Choralrhythmus annimmt, soil hier nicht er6rtert werden. 18 Vgl. Wolf, Handbuch I, S. 177; dazu meine Anfiinge der abendliindischen Musik, Strasbourg 1955. S. 142.

    19 Vgl. Analecta hymnica Bd. 20, S. 135; ferner meinen Mittelalt. Choral, Mainz 1954, S. 40. 20 Anal. hymn. Bd. 21. Nr. 11; Mittelalt. Choral, S. 41. Ferner verbessert in Die Melodien Hugos v. Montforts.

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  • Deutsche Lieder um 1400 51

    kaime das Instrument dazu, die Singstimme zu vertreten? So miissen wir also eine Beteiligung des Instrumentes gleichberechtigt mit der Singstimme fiir den eigent- lichen Minnesang ausschlieBen.

    Aber aus der Intonationshilfe kann sich die instrumentale Einleitung durch eine Verlagerung des Interesses gebildet haben. Die genannte Handschrift bringt eine Reihe von Beispielen, wo das Instrument nur eine Einleitung bringta20a

    W28: a g dIg f alg f. W21: e f e W36: e g|d f edc W53: d f d c I c f a gIf e d usw.

    Bei anderen gesellt sich eine kleine Schlu8formel hinzu; doch iindert dies nichts an dem Charakter der Einleitung, so z. B.

    W: 24: dcdIagalfgfIded

    Offensichtlich ist der instrumentale Akkord d a f d als Einstimmung gedacht.

    Oder W o: c h g I a f g f I e usw.

    Die Schliisse haben zunlichst Uberleitungscharakter: so W 24: d' c a f g I d e d, oder 30: e' I c d e f I e d c - oder als Stollenschlu: f' _ g f e jd (Beginn der nichsten Zeile mit d)- oder als Zwisd enschluf: g' g f e, (wobei die folgende Zeile mit e beginnt.) Auch kann die letzte Zeile eine besondere Einleitung erhalten: W48: d'aggf c d a elf.

    Einen anderen Charakter erh~ilt der Instrumentalpart, wenn das Einleitungsstiick wiederholt wird, d. h. also, wenn er zum Stollen geh6rt und also 2 mal auftritt: W 33, W43 usw.

    Das gleiche gilt vom 2 mal auftretenden Stollenschlu8 W 49: e' I g e ld c d I c. Noch starker eingeordnet sind die instrumentalen - tiicke, wenn sie auch zu Beginn des Abgesanges oder der Abgesangsteile stehen: W 4;: Stollenbeginn I gh I ch a I g; Beginn der Abgesangsteile: c' 11 g e g I e d e d I c. Oder wenn die vokalen Zeilen- schliisse mit ziemlicher Regelmiifigkeit durch das Instrument fortgefiihrt werden:

    so W 5o: c' e d c : g c' fabag : a c'd eu c h' ag: g c' ea : d a' gt

    Ende d' fe d;

    20Oa Die Striche fiber den Notenbuchstaben bedeuten deren Doppelschreibung, also verdoppelte Tondauer.

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  • 52 Deutsche Lieder um 1400

    vielleicht kann man hier noch an vokale Melismen denken. Weniger wahrscheinlich ist dies bei W 54 oder W 51, wo F die Finalis sein diirfte, aber wiederholt(f') e dc hinzutritt. Die Anordnung der Beispiele diirfte deutlich zeigen, wie etwa das Instru- ment in das Lied eingedrungen ist und sich die Gleichberechtigung erkimpft hat. Anschlie8end sei aber nochmals der instrumentale Charakter der fraglichen Stiicke er-

    hitrtet durch die akkordische Melodiefiihrung.

    W 12: f a c a f W17: e g fedc W 8is: fgagg f W19: fe g f e c d ef W25: f g d c f g f W 35Zwischenspiel:c'a f I d f g a f e d W39: e cid a gIf e d.

    Damit stehen wir in unmittelbarer Nachbarschaft der eingangs er6rterten Darm-

    staidter und Berliner Handschriften, insbesondere der letzteren. Der instrumentale Charakter der Zwischenspiele m6ge nochmals durch einige Proben erhairtet werden: die terzweise aufgebauten Septimen in 12: C E G h, 10: E G h d, 5, 9, 10: D F a c, D 3: G h d f, oder die terzweise aufgebauten Quinten in 6, F a c, 3: G h d, 4: D f a d, oder die Quintspriinge in D 4, 3, 2, 6. Die Anordnung der Instrumentalpartien zu Beginn oder Ende der Strophenteile - oder vor der SchluBzeile ist uns vertraut. Aber diese Zeilen werden stellenweise noch starker zum Aufbau der Kompositionen herangeholt, indem sie, vllig gleichberechtigt mit den vokalen Zeilen, mit diesen abwechseln. Die Rolle der instrumentalen Partien wird am klarsten, wenn die Tonalittit der Lieder

    gepriift wird. Sie fiihren die Melodie zur Prim zuriick (8) oder sie verz6gern den Ein- tritt der Finalis (Darmstadt 4); vor allem aber beteiligen sie sich an einem tonalen

    Wettspiel der Finalt6ne: Die Finales D und F oder D und E wetteifern miteinander - und es bleibt bis zur entscheidenden SchluBzeile in der Schwebe, welche Tonalittit vorliegt. Mit diesem Spiel verbindet sich also das zwischen Singstimme und Instrument.

    Eine Tabelle m6ge erlaiutern: Es konkurriert21

    D mit F: 5: D F F D D F a : F D ;hier bedeutet der Wechsel der Be-

    setzung auch der Wechsel der Finalis. 10: F c F : a D a Ga D ; das Instrument bringt die jeweiligen Dominanten, die entscheidenden Tone.

    4: D a G F : F G D das Instrument bringt die Finalschlhisse. FmitD 2: F F aDF:F 4 c. E mit D 9: a FD a a E : ED G E h a E; das Instrumentbeziehtmit

    dem a-SchluB die Schliisselstellung des tonalen Wechsels.

    21 Die kursiv gedruckten Finalt6ne bedeuten instrumentale Partien.

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  • Deutsche Lieder um 1400 53

    DmitE 11: D E E D G F a D 3: E G D h E h E a D; Quintenschliisse der Instrumental-

    stiicke! EmitC D3: c E : c E

    7: ECGGc : c E D E : G C E: C oder: ECGGc cEDE Gc : cEDE

    12: E GCG : E GE C

    Besonders interessant ist die Vergewaltigung des E-phrygischen durch die Finalis C, die die Finalis E, fast gleichgiiltig, ob diese an letzter Stelle erklingt oder nicht, als Terz dieses C ausgeben m6chte. Sie gesellt sich zu vielen, was bereits zu der phrygisch- ionischen Tonalittit an Beispielen beigebracht wurde22. Wir finden tihnliches auch in der Mondsee-Wiener Handschrift. So etwa in W 59. Doch besitzt dieses Lied nur eine instrumentale Einleitung. Andere bringen zwar E-schlilsse neben C-schliissen, doch sind diese E-schlilsse zwischen G- und C-schlilssen keineswegs mehr phrygisch zu ver- stehen (vgl. W21, W 38). fberhaupt aber ist dort das C-Lied gang und gtibe. Was unsere Lieder kennzeichnet, ist der Wechsel zwischen C und E, wie in D 3 oder 7, die mit E schlie8en, aber vollgiiltige C-schliisse bringen: h d f h c G c oder cd hc, und zwar in Verbindung mit dem Wechsel von Singstimme und Instrument.

    Ich darf kurz zusammenfassen: Das Problem der flbertragung gewisser Lieder mit textlosen Melodien vereinfacht sich, wenn man sowohl den Strophenbau wie die zeilentrennenden Striche beachtet. Restlose Klarheit, welche Zeilen instrumental sind, kann nicht erreicht werden, doch empfehlen Symmetrie, Ausdehnung der Zeilen oder Melodik meist eine bestimmte L6sung. Es ergibt sich eine starke Durchsetzung der Melodie mit Instrumentalzeilen, die eine wesentliche Bereicherung nicht bloB des

    Klanges und der Melodik, sondern auch der Tonalittit herbeifiihrt. Diese Instrumental-

    stitze k6nnen nicht aus den Melismen des Minnesangs abgeleitet werden, obwohl diese ihr Auftreten begiinstigt haben k6nnten, sondern sind wahrscheinlicher von au3en her in diese Musik eingedrungen. Auch mu3 die Aufzeichnung selber mehr als im Sinne des Instrumentalisten als in dem des Singers verstanden werden.

    Es bleibt noch zu fragen, wie diese Verlagerung der Aufmerksamkeit auf den in- strumentalen Part zu verstehen ist. Bereits an anderer Stelle23 habe ich erwdihnt, daB die textlose Musik eine ganz andere Beziehung zu dem Gott der Offenbarung hat als das gesungene Wort: Das gesungene Wort - ich meine das gesungene Wort der Schirift - ist Verkiindigung, feierliche Kundgebung des ,,Wortes Gottes". Und auch das gesungene Wort ,,weltlichen" Inhalts, wie etwa der Minnesang, ist in dieser Zeit auf seine Art eine Verkiindigung: die der Standeslehren oder der Sitte, die Stinger und Zuh6rer verpflichtet. Das Instrument dagegen ist nur der sprachlosen Sch6pfung zugeordnet; es kann nur im Gleichnis oder geffihlsmai3ig sprechen. Die Hinwendung zur instrumentalen Musik bedeutet also eine Abwendung von der (Wort- oder) Lehr- verkiindigung. Sie ist das Ende des musikalischen Minnesangs24. Sie ist aber eine

    22 Vgl. auch Anfinge S. 125. 23 Anfiinge S. 166. 24 Vgl. dazu den angekiindigten Artikel: Die Melodien Hugo von Montforts.

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  • 54

    Hinwendung zum naturhaften Sein. Die stairkere Beachtung des Instrumentes kenn- zeichnete bereits wesentliche Teile der organalen Musik, etwa im St. Martialer Stil, und wurde von mir25 mit einer stfirkeren Wendung der Liturgie zur Sch6pfung ge- deutet. Die Gleichberechtigung des Instrumentes im Liede von 1400 wiirde man dem-

    entsprechend der Entdeckung der Sch6pfung als ,,Landschaft" gegeniberstellen: die Landschaft ve~rdraingt den Goldhintergrung der liturgischen Bilder oder ergainzt die in die leere Fliiche gemalten weltlichen Miniaturen des abstrakten Minnesanges. Von der Musik aus befinden sich also diese Liede~r nicht zwischen Minnesang und Volkslied,

    (fiir das Volkslied ist die Beteiligung des Instrumentes gar nicht gegeben), sondern nach dem standesgebundenen Minnesang etwa zwischen h6fischem und biirgerlichem Liede. Die U*berlieferung hat ihre zwingende Kraft verloren: Die Tonalittit, die im

    Minnesang den kirchlichen Tonarten nahekam, beschrainkt sich fast auf die f- oder

    d-Reihe, die sich miteinander verkniipfen, oder die c- und e-Reihe, steht also im wesentlichen dem ,,naturgegebenen" Dur nahe. Der Rhythmus, im Minnesang vor allem durch die Melismen der Gregorianik nahestehend, bewegt sich jetzt in schlich-

    ten, zumeist 4-hebigen, tanzmai13igen Ordnungen: auch diese m6chte man (von der

    Voraussetzung des abendliindischen Hebungsprinzipes aus) als ,,naturgegeben" be- trachten. Die Melodie ist nicht der Psalmodie, Antiphonie oder Hymnodie verpflichtet, um mit deren Beistand musikalische Gestalt, Mundstiick des Textes zu sein, sondern sie beginnt nach neuen zweckdienlichen Ge-sichtspunkten sich zu formen: mehr stufen-

    f6rmig gefiihrt als vokale, mehr sprungmi18ig-akkordisch als instrumentale Musik. Und die Gesellschaft kann nicht mehr in erster Linie eine glaubig-h6rende sein, son-

    dern sie nimmt bereits den Wechsel von Instrument und Singstimme, also etwas Sinn- lich-Asthetisches wahr: das ist als Beginn einer nicht-transzendentalen Orientierung zu verstehen.

    25 Anfinge S. 166.

    A Note Concerning " A Fourteenth Century Parody Mass"

    A Note Concerning "A Fourteenth Century Parody Mass"

    Leo Schrade (New Haven, Conn.)

    In the Acta Musicologica, vol. XXVII, 1955, p. 13 ff. I discussed the music of the new 14th century fragment owned by the Institut de Musicologie de l'Universite de Paris and published in photographic reproduction by Jacques Chailley in Annales

    Musicologiques, II (1954), p. 96. At the end of the Duplum of the Kyrie on fol. 1 an

    inscription is entered which Jacques Chailley read as the name of a composer "Jo- hannes Lambuleti." Having had only the photography at my avail, I doubted the

    correctness of the reading. Professor Chailley had the extreme kindness to submit the original manuscript to

    an examination at the recent Colloque Ars Nova at Wegimont-Belgium (Septem-

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    Article Contentsp. 28p. 29p. 30p. 31p. 32p. 33p. 34p. 35p. 36p. 37p. 38p. 39p. 40p. 41p. 42p. 43p. 44p. 45p. 46p. 47p. 48p. 49p. 50p. 51p. 52p. 53p. 54

    Issue Table of ContentsActa Musicologica, Vol. 28, Fasc. 1 (Jan. - Mar., 1956), pp. 1-55+1-10Front MatterZum Jahrgang 1956 [pp. 1-4]Jacques Handschin in Memoriam [pp. 5-7]Manfred F. Bukzofer (1910-1955) [pp. 7-8]In memoria di Fausto Torrefranca [pp. 9-11]Matteo da Perugia e Bertrand Feragut i due primi Maestri di Cappella del Duomo di Milano [pp. 12-27]Deutsche Lieder um 1400 [pp. 28-54]A Note concerning "A Fourteenth Century Parody Mass" [pp. 54-55]Two Problems in Seventeenth Century Notation. (Corrigenda and Addendum) [p. 55]Back Matter [pp. 1-10]